Die Politiker und die Ausländer
Debatte Ein Plädoyer fürs Differenzieren und gegen das scheinbar bequeme Denken in Schubladen
Weiß und schwarz, Freund und Feind, Ausländerfreund und Rassist – oder gleich Nazi. Geht es nur noch in Extremen, wenn wir uns über Politik unterhalten? Wo bleiben die Zwischentöne? Wo sind die Kompromisse? Die Welt ist doch auch farbig und nicht schwarz-weiß.
Dieser Beitrag soll ein Versuch sein. Ein Versuch, an die Vernunft zu appellieren, sich im Ton zu mäßigen und bitte zu differenzieren. Pauschalurteile über wen auch immer waren schon immer falsch.
Fangen wir mit den Politikern an. Wenn von den Politikern die Rede ist, sollten wir uns alle wehren. Das hat mit sachgerechter Kritik nichts zutun. Wer so spricht,v errichtet das Geschäft von Demokratie feinden. Das sollte jedem bewusst sein. Wenn Politiker den Querschnitt der Bevölkerung repräsentieren, dann sind sie im Schnitt nicht schlechter und auch nicht besser als Sie und ich.
Wen ein mulmiges Gefühl beschleicht angesichts von Hunderttausenden von Menschen, die Jahr für Jahr aus fremden Kulturkreisen bei uns Aufnahme suchen, ist noch lange kein Ausländerfeind. Touristen, Reisende, Geschäftsleute, Studierende–sie alle überschreiten Landesgrenzen. Weltoffenheit ist hier selbstverständlich und positiv für alle.
Asylsuchende, die politisch verfolgt werden, genießen Schutz durch unser Grundgesetz. Das ist eine große Leistung unseres GeDas meinwesens. Daran sollten wir keinesfalls rütteln lassen. Die hohe Zahl an Einwanderern der jüngsten Vergangenheit sind auch keine wirklich Asylberechtigten. Es sind Flüchtlinge aus Kriegsgebieten nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Auch sie haben Anspruch auf Schutz und Zuflucht. Zugleich muss aber an einer schnellen Friedenslösung gearbeitet werden, damit diese Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren können.
Dann gibt es noch die dritte Gruppe von Einwanderern. Das sind Menschen, die hier auf Dauer leben wollen, weil sie sich eine bessere Lebensperspektive erhoffen. Das ist legitim. Ebenso legitim ist es, wenn dieses Land festlegt, wer erwünscht ist und wer nicht. Kanada oder Australien handhaben das seit vielen Jahren so, und niemand käme ernsthaft auf die Idee, diesen Ländern Nazi-Denken zu unterstellen. Ob jemand und wie viele Menschen in ein Land einwandern dürfen, muss diesem Land überlassen sein. Das lässt sich über ein Einwanderungsgesetz regeln, an dem die Bundesregierung jetzt ja endlich arbeitet.
Auch hier wäre die Politik gut beraten, die Bevölkerung mitzunehmen, womöglich vorhandene Ängste ernst zu nehmen und sie nicht abzustempeln als „Ausländerfeinde“. Menschen müssen ihre Sorgen und ihre Ängste äußern können. Das gilt es ernst zu nehmen und nicht pauschal als ewiggestrig abzustempeln. Wenn bei jeder kritischen Äußerung gleich die Nazikeule geschwungen wird, erreicht man keine gemeinsamen Lösungen.
Auf der anderen Seite gilt aber auch: Wer jedes Problem reflexartig Fremden und Migranten in die Schuhe schiebt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er Hetze betreibt. Jede begangene Straftat ist vom Rechtsstaat zu sanktionieren – wer auch immer sie begangen hat. Ein wie auch immer geartetes „Volksempfinden“kann jedenfalls kein Maßstab sein.
Und auch so manche Politiker und so manche Journalisten wären gut beraten, wenn sie wieder zu mehr Augenmaß zurückfinden würden. Wenn der bayerische Ministerpräsident Markus Söder im Frühsommer von „Asyltourismus“spricht und damit Menschen meint, die unter Lebensgefahr das Mittelmeer passieren, ist das nicht akzeptabel. Und wenn Medien Taten, die von Ausländern begangen werden, zehnmal mehr in den Brennpunkt rücken wie vergleichbare Taten von Einheimischen, vermitteln sie damit bewusst oder unbewusst ein schiefes Bild der Lage.
Die Welt ist kompliziert. Mit einem Denken in Schwarz und Weiß werden wir die vielschichtigen Herausforderungen der Zukunft aber nur schlecht meistern können. Demokratie ist manchmal anstrengend, zugegeben. Aber es gibt einen engen Zusammenhang zwischen unserer offenen Gesellschaftsordnung mit Meinungs- und Pressefreiheit und der Problemlösungskraft eines Landes. Vielleicht sollten wir die Zukunft einfach mit mehr Zuversicht als Ängstlichkeit angehen, ohne die Probleme schönzureden. Versuchen wir es doch einfach mal mit Differenzieren.