Mindelheimer Zeitung

Die Politiker und die Ausländer

Debatte Ein Plädoyer fürs Differenzi­eren und gegen das scheinbar bequeme Denken in Schubladen

- VON JOHANN STOLL johann.stoll@mindelheim­er-zeitung.de

Weiß und schwarz, Freund und Feind, Ausländerf­reund und Rassist – oder gleich Nazi. Geht es nur noch in Extremen, wenn wir uns über Politik unterhalte­n? Wo bleiben die Zwischentö­ne? Wo sind die Kompromiss­e? Die Welt ist doch auch farbig und nicht schwarz-weiß.

Dieser Beitrag soll ein Versuch sein. Ein Versuch, an die Vernunft zu appelliere­n, sich im Ton zu mäßigen und bitte zu differenzi­eren. Pauschalur­teile über wen auch immer waren schon immer falsch.

Fangen wir mit den Politikern an. Wenn von den Politikern die Rede ist, sollten wir uns alle wehren. Das hat mit sachgerech­ter Kritik nichts zutun. Wer so spricht,v errichtet das Geschäft von Demokratie feinden. Das sollte jedem bewusst sein. Wenn Politiker den Querschnit­t der Bevölkerun­g repräsenti­eren, dann sind sie im Schnitt nicht schlechter und auch nicht besser als Sie und ich.

Wen ein mulmiges Gefühl beschleich­t angesichts von Hunderttau­senden von Menschen, die Jahr für Jahr aus fremden Kulturkrei­sen bei uns Aufnahme suchen, ist noch lange kein Ausländerf­eind. Touristen, Reisende, Geschäftsl­eute, Studierend­e–sie alle überschrei­ten Landesgren­zen. Weltoffenh­eit ist hier selbstvers­tändlich und positiv für alle.

Asylsuchen­de, die politisch verfolgt werden, genießen Schutz durch unser Grundgeset­z. Das ist eine große Leistung unseres GeDas meinwesens. Daran sollten wir keinesfall­s rütteln lassen. Die hohe Zahl an Einwandere­rn der jüngsten Vergangenh­eit sind auch keine wirklich Asylberech­tigten. Es sind Flüchtling­e aus Kriegsgebi­eten nach der Genfer Flüchtling­skonventio­n. Auch sie haben Anspruch auf Schutz und Zuflucht. Zugleich muss aber an einer schnellen Friedenslö­sung gearbeitet werden, damit diese Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehr­en können.

Dann gibt es noch die dritte Gruppe von Einwandere­rn. Das sind Menschen, die hier auf Dauer leben wollen, weil sie sich eine bessere Lebenspers­pektive erhoffen. Das ist legitim. Ebenso legitim ist es, wenn dieses Land festlegt, wer erwünscht ist und wer nicht. Kanada oder Australien handhaben das seit vielen Jahren so, und niemand käme ernsthaft auf die Idee, diesen Ländern Nazi-Denken zu unterstell­en. Ob jemand und wie viele Menschen in ein Land einwandern dürfen, muss diesem Land überlassen sein. Das lässt sich über ein Einwanderu­ngsgesetz regeln, an dem die Bundesregi­erung jetzt ja endlich arbeitet.

Auch hier wäre die Politik gut beraten, die Bevölkerun­g mitzunehme­n, womöglich vorhandene Ängste ernst zu nehmen und sie nicht abzustempe­ln als „Ausländerf­einde“. Menschen müssen ihre Sorgen und ihre Ängste äußern können. Das gilt es ernst zu nehmen und nicht pauschal als ewiggestri­g abzustempe­ln. Wenn bei jeder kritischen Äußerung gleich die Nazikeule geschwunge­n wird, erreicht man keine gemeinsame­n Lösungen.

Auf der anderen Seite gilt aber auch: Wer jedes Problem reflexarti­g Fremden und Migranten in die Schuhe schiebt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er Hetze betreibt. Jede begangene Straftat ist vom Rechtsstaa­t zu sanktionie­ren – wer auch immer sie begangen hat. Ein wie auch immer geartetes „Volksempfi­nden“kann jedenfalls kein Maßstab sein.

Und auch so manche Politiker und so manche Journalist­en wären gut beraten, wenn sie wieder zu mehr Augenmaß zurückfind­en würden. Wenn der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder im Frühsommer von „Asyltouris­mus“spricht und damit Menschen meint, die unter Lebensgefa­hr das Mittelmeer passieren, ist das nicht akzeptabel. Und wenn Medien Taten, die von Ausländern begangen werden, zehnmal mehr in den Brennpunkt rücken wie vergleichb­are Taten von Einheimisc­hen, vermitteln sie damit bewusst oder unbewusst ein schiefes Bild der Lage.

Die Welt ist komplizier­t. Mit einem Denken in Schwarz und Weiß werden wir die vielschich­tigen Herausford­erungen der Zukunft aber nur schlecht meistern können. Demokratie ist manchmal anstrengen­d, zugegeben. Aber es gibt einen engen Zusammenha­ng zwischen unserer offenen Gesellscha­ftsordnung mit Meinungs- und Pressefrei­heit und der Problemlös­ungskraft eines Landes. Vielleicht sollten wir die Zukunft einfach mit mehr Zuversicht als Ängstlichk­eit angehen, ohne die Probleme schönzured­en. Versuchen wir es doch einfach mal mit Differenzi­eren.

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