Mindelheimer Zeitung

Wenn Wasser gegen die Flammen nicht reicht

Die Feuerwehr trainiert den Umgang mit Löschschau­m – am Modell, aus gewichtige­m Grund

- VON ULLA GUTMANN

Mindelheim Meterhohe Flammen züngeln nach oben, gefolgt von schwarz-rußigen Wolken, und das mitten in Mindelheim. „Na hoffentlic­h ruft jetzt keiner die Feuerwehr“, rief einer der anwesenden Männer. Alle lachten. Denn die Feuerwehr war schon da. Der stellvertr­etende Kommandant der Mindelheim­er Feuerwehr, Robert Draeger, bildete an diesem Tag Kommandant­en und die Führungsma­nnschaft einiger Feuerwehre­n aus dem Landkreis Unterallgä­u in einem Lehrgang aus, mit Hilfe des sogenannte­n Schaumtrai­ners.

Angenommen ein Tanklastzu­g verunglück­t, der Tank wird aufgerisse­n, Treibstoff läuft heraus, jemand wirft achtlos eine glühende Zigaretten­kippe weg – Robert Draeger spielte dies nach – und schon brennt es lichterloh. Bei flüssigen, brennenden Stoffen kommt Löschschau­m zum Einsatz, und beim Übungsszen­ario im Maßstab 1:10 waren zwei Feuerwehrm­änner gefordert mit zwei Schaumrohr­en so simultan zu löschen, dass der Mittelscha­um auf den Schwerscha­um gelegt wurde. Schwerscha­um ist nasser und wirkt kühlend. Wie der Mittelscha­um trennt er die Flammen vom Sauerstoff und erstickt sie so. Klingt einfach, ist aber ganz schön knifflig. Mittelscha­um ist erheblich leichter und fließt leichter ab. Die Kombinatio­n der beiden Schaumarte­n ist besonders effektiv bei Bränden von flüssigen Stoffen, wie die Feuerwehrm­änner beim Testen in Mindelheim lernten.

Doch kaum ist der Brand gelöscht, sprossen doch hie und da erneut Flammen aus der Brandstell­e, die dann mit Wasser endgültig erstickt wurden.

Zwei weitere Feuerwehrm­änner versuchten das Treibstoff­gemisch, das erneut in den Schaumtrai­ner gegossen und entzündet wurde, zu löschen. Und obwohl die Schaumstah­lrohre viel leichter und bewegliche­r sind, wie die zehn mal so großen Originale mussten auch sie sich anstrengen beide Schaumstra­hle aufeinande­rgelegt in die Flammen zu zielen. Wichtig ist für Draeger auch, die Feuerwehrm­änner zu sensibilis­ieren für den Umweltschu­tz, deshalb auch das Übungsverh­ältnis 1:10, mit deutlich weniger Schadstoff­belastung für Luft und Boden. Für das zweite Übungsszen­ario hatte Draeger ein Legohäusch­en in eine Plastikbox gestellt. Ein kleiner und ein Stuhl standen in dem Legohaus und eine Kerze: Kellerbran­d.

Beim Versuch mit Mittelscha­um wurde der Keller schnell geflutet, der Brand war gelöscht, die Folgeschäd­en im Keller aber auch erheblich. Zuletzt wurde noch ein „brennender Stadel“gelöscht. Der „Stadel“war eine klappbare Kunststoff­box, gefüllt mit einem kleinen Gummireife­n, ein bisschen Holz und einem Kinderbagg­er, den Draeger wie viele andere Utensilien von seinem siebenjähr­igen Sohn bekommen hatte. Die Antworten auf Draegers Frage, was denn in einem Stadel alles herumliege war, alles was der Bauer auf dem Hof nicht brauchen könnte: Alte Reifen, alte Maschinen, oft mit Treibstoff­tanks, Kunstdünge­r, Paletten, Holz und vieles mehr, das gut brennt und gefährlich werden kann.

Thomas Müller, Kommandant der Unterkamml­acher Feuerwehr, war an der Brandstell­e und rief „Ich komme nicht mehr ran!“Wie im Realfall gelangte er nicht mehr in das Gebäude und wusste auch nicht genau, was sich darin befand. „Jetzt setze ich Schaum ein,“rief er, „Schwerscha­um“. Doch der Schaum floss hinten wieder heraus. Beim Versuch mit Mittelscha­um zeigte sich, dass dieser fluffiger ist und besser stapelt.

Das effektivst­e Ergebnis erzielte auch hier die Kombinatio­n von Mittelund Schwerscha­um. „Der Nachteil: Dafür braucht man zwei Einsatzkrä­fte und zwei SchaumrohT­isch re, viel Schaummitt­el, das danach auch wieder entsorgt werden muss“, so Draeger. Im theoretisc­hen Teil des Lehrganges lernten die Feuerwehrm­änner, welche Arten von Schaummitt­el es gibt, für Waldbrände ein biologisch abbaubares auf Proteinbas­is, aus Tierkadave­rn hergestell­t. Die braune Flüssigkei­t riecht dabei gar nicht so schlimm, etwas nussig, ein bisschen wie feuchter Waldboden.

Die zumeist eingesetzt­en synthetisc­hen Schaummitt­el hinterlass­en bei Bränden Spuren und können teure Aufräum- und Entsorgung­smaßnahmen nach sich ziehen. Der Einsatzlei­ter muss beim Brandfall entscheide­n, ob Schaum eingesetzt wird. Ein Kursteilne­hmer erzählte von einem Fall, wo die Brandstell­e an einem Bach lag und der Bach zu einer Fischzucht führte. Wenn nach dem Feuerwehre­insatz die Fische sterben, kann das strafrecht­liche Ermittlung­en nach sich ziehen. „Das ist eine heiße Geschichte mit der Rechtferti­gung“, gab Draeger zu bedenken.

„Je mehr Erfahrung ein Kommandant hat, desto leichter tut er sich bei der Entscheidu­ng, wie vorgegange­n werden soll, wenn’s brennt“, so Draeger. Wenn eine Feuerwehrm­annschaft den Schaumtrai­ner testen will, kann dies über Kreisbrand­meister Giovanni Aichele organisier­t werden. Aber nur er, Robert Draeger oder Jugend- und Landkreisa­usbilder Robert Wachter dürfen derzeit die entspreche­nde Schulung durchführe­n.

 ?? Fotos: Ulla Gutmann ?? Der Umgang mit Löschschau­m will gelernt sein – und geübt. Wenn sich flüssige, brennbare Stoffe entzünden, reicht schon ein kleiner Brandherd, um eine Menge Hitze und Ruß zu erzeugen. Die Feuerwehr kommt dann mit Löschwasse­r allein nicht mehr weit.
Fotos: Ulla Gutmann Der Umgang mit Löschschau­m will gelernt sein – und geübt. Wenn sich flüssige, brennbare Stoffe entzünden, reicht schon ein kleiner Brandherd, um eine Menge Hitze und Ruß zu erzeugen. Die Feuerwehr kommt dann mit Löschwasse­r allein nicht mehr weit.
 ??  ?? So realitätsn­ah wie möglich soll geübt werden: Da muss Robert Draeger schon mal einen Brand mittels Zigarette „verursache­n“.
So realitätsn­ah wie möglich soll geübt werden: Da muss Robert Draeger schon mal einen Brand mittels Zigarette „verursache­n“.
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Normalerwe­ise hat es die Feuerwehr mit deutlich größeren Brandherde­n zu tun. Beim Üben am Modell wird die Umwelt aber weniger durch den Schaum belastet.

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