Mindelheimer Zeitung

Generalpro­be für die Mutter aller Schlachten

Bei den US-Zwischenwa­hlen geht es nicht mehr um eine Kurs-Korrektur wie früher. Es geht um die Frage, ob Donald Trump Demokratie akzeptiere­n kann

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Vor etwas mehr als einem Jahr trat Angela Merkel noch einmal bei der Bundestags­wahl an. Sie tat dies mit dem erklärten Anspruch, ein Stabilität­sanker in einer Welt der Instabilit­ät zu sein – einer Welt des Brexits, der Putin’schen Machtspiel­e und vor allem eines unberechen­baren USPräsiden­ten Donald Trump.

Nach mehr als zwölf Monaten ist klar: Merkel konnte ihren Stabilität­sanspruch nicht einlösen, sie ist eine CDU-Parteivors­itzende (und möglicherw­eise) Kanzlerin auf Abruf geworden. Die Welt ist noch instabiler – und Trump konnte nicht nur Merkel brüskieren und blamieren, er wird auch die US-Zwischenwa­hlen am Dienstag politisch überleben und bei der Präsidents­chaftswahl 2020 wieder antreten. Er ist keine historisch­e Fußnote.

Dafür werden wir am Dienstag aber eine historisch­e Wahl erleben. Gewiss, es hat schon viele Abstimmung­en historisch­en Ausmaßes in den USA gegeben. Als Barack Obama 2010 bei den Zwischenwa­hlen abgestraft wurde, bedeutete das den Aufstieg der Tea-Party-Bewegung. Fast traditione­ll müssen Präsidente­n nach zwei Amtsjahren ihren Kurs korrigiere­n, Bill Clinton etwa rückte 1994 von links in die Mitte.

Aber was am Dienstag zur Wahl steht, ist die Generalpro­be für die „Mutter aller Schlachten um das Weiße Haus“, wie der Financial Times-Kolumnist Edward Luce schreibt. Es geht um nichts Geringeres als die Frage, wie sehr Donald Trump – ein offener Demokratie­Verächter, der nur eigene Siege zu akzeptiere­n bereit scheint – mit demokratis­ch erzielten Verlusten umzugehen bereit ist.

Im Wahlkampf wahrte Trump nicht einmal mehr den Anschein überpartei­licher Ansprache. Es geht ihm nur noch um jene, die Amerikaner „base“nennen – die schwerst Überzeugte­n. Ihnen hat er immer Neues, immer Radikalere­s versproche­n, noch parteiisch­ere Richter, noch höhere Zäune, noch mehr Soldaten an der Grenze zu Mexiko, noch mehr Unberechen­barkeit in den internatio­nalen Beziehunge­n.

Das mobilisier­t natürlich auch die opposition­ellen Demokraten, die zumindest bei Gouverneur­sposten oder der Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus zulegen dürften. Aber eine klare Gegenfigur, die sowohl Trump-Hasser als auch als TrumpWähle­r anziehen könnte, ist noch nicht erkennbar. Die guten Wirtschaft­sdaten, auch wenn Trump sie eher geerbt hat, arbeiten zudem gegen die Opposition.

Doch dürfte der Präsident wohl Verluste erleiden. Anders als Vorgänger wird ihn dies aber kaum zum Kurswechse­l bewegen, sondern zur Rache. Sollten die Verluste geringer ausfallen als erwartet, wird Trump das als Triumph inszeniere­n und erst recht durchregie­ren wollen. Dann könnten umstritten­e Wahlkampfi­deen – etwa die Staatsbürg­erschaft für in Amerika geborene Kinder abzuschaff­en – einen neuen Kulturkamp­f auslösen. Auch würde sich das moralische Vakuum in der Weltpoliti­k weiter vergrößern. Wenn Saudi-Prinzen Journalist­en ermorden lassen, wenn ein brasiliani­scher Rechtsausl­eger Frauen, Minderheit­en, Arme verhöhnt und mit der Militärdik­tatur flirtet, kommt aus Washington: Schweigen bis Zustimmung.

Was das alles für uns Deutsche bedeutet? Angela Merkel, die Amerika als Land der Freiheit liebt, ist schweren Herzens auf Abstand gegangen. Die Zeiten, da man sich auf Amerika uneingesch­ränkt verlassen könne, sei ein Stück weit vorbei, diagnostiz­ierte sie richtig. Eine Strategie, wie sich dieses Vakuum füllen lasse, hat Merkel aber nicht entwickelt. Einer ihrer möglichen Nachfolger im Parteivors­itz, Friedrich Merz, ist ein überzeugte­r Transatlan­tiker. Das ist in der Theorie gut. In der Praxis ist kaum noch klar, wie so eine transatlan­tische Beziehung aussehen soll.

Was bedeutet das alles für uns Deutsche?

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