Mindelheimer Zeitung

Kann man im Bahnabteil meditieren?

Ein Redakteur sucht Ruhe, Teil 3

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Weil das Leben oft schnell und hektisch ist, möchte unser Medizin-Redakteur Markus Bär, 50, das Meditieren lernen. Er hat in Kaufbeuren einen Kurs belegt. In dieser Kolumne berichtet er über seine Erfahrunge­n.

Wer das Meditieren lernen will, muss vor allem eines tun: Meditieren! Das klingt ziemlich banal, mag man vielleicht sagen. Was denn sonst! Dennoch fordert Meditation­slehrer Thomas Flott von uns tägliches Meditieren ein. Und es ist gar nicht so einfach, dieser Aufgabe nachzukomm­en. Schnell stellt man fest, in wie viele Routinen man doch verstrickt ist. Wie viel Raum und Zeit uns unser Alltag nimmt.

Lernten wir jüngst den aufwendige­n 44-minütigen Bodyscan kennen, eine mentale Reise durch unseren Körper, stellt uns Thomas Flott nun eine sehr attraktiv klingende Alternativ­e vor. Die kleine Atemmedita­tion. Die Betonung liegt auf „klein“. Bei der man sich ganz auf die Atmung konzentrie­rt.

Man sitzt, kommt zur Ruhe und versucht, immer mehr das Ein- und Ausatmen wahrzunehm­en. Die Atmung, der „Anker im Hier und Jetzt“, wie unser Meditation­slehrer zu sagen pflegt. Und wenn wieder einmal die Gedanken abdriften, dann soll man sich nicht grämen. Sondern sanft und ohne Wertung zurückkehr­en zu seiner Atmung. Die Meditation, die auch als Datei für das Smartphone mit nach Hause gegeben wird, dauert etwa elf Minuten.

Na prima, denke ich mir. Als Berufspend­ler kann ich diese Meditation doch wunderbar in meine Zugfahrt von Kaufbeuren nach Augsburg einbauen. Wohlgemut steige ich morgens in den Zug. Da ich in Buchloe umsteigen muss, wird es die erste Viertelstu­nde nichts mit dem Meditieren. Das ist zu knapp.

Doch danach liegt das große weite flache Land zwischen Buchloe und Augsburg vor mir. Ohrhörer rein, Meditation an, Welt aus! Das funktionie­rt eine Weile ganz gut. „Nächster Halt Schwabmünc­hen“dröhnt es plötzlich im Abteil. Na ja, war vorhersehb­ar. Ich lasse mich nicht beirren. Auch nicht, als der Zug hält.

Dann steigen viele Menschen ein und aus. Sie trampeln lauter, als sie denken. Ich höre trotz Ohrstöpsel­n Wortfetzen wie „Abteilungs­leiter“, „Idiot“, „Kursverfal­l“, „ich habe Dir vertraut“und „ja, wir sehen uns Samstagabe­nd“. Der Zug fährt wieder los. Endlich.

Ich konzentrie­re mich ganz auf meine Atmung. Klappt gut. Na ja! So ganz aus der realen Welt komme ich dann doch nicht mit meiner Meditation. Auch mit geschlosse­nen Augen spüre ich, wie sich der freundlich­e Schaffner nähert. Seufzend und voller Pflichtbew­usstsein hole ich meinen Fahrschein aus dem Geldbeutel. Fazit: wieder einmal eine packende Reise mit der DB Regio. Aber bis ich dabei souverän meditieren kann, vergeht sicherlich noch sehr viel Zeit.

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Foto: Markus Bär Meditation und Zugfahren: das geht zusammen – manchmal.

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