Auf der Bühne des Glaubens
Wie die Jesuiten im 16. und 17. Jahrhundert die Menschen im Glauben festigten. Ihre Theaterstücke waren Meisterwerke der Technik, der Illusion und der Geldverschwendung
Mindelheim Es war eine kleine Reisegruppe, die sich vor 400 Jahren auf holprigen Wegen nach Westen aufgemacht hat. Aber sie hat Mindelheim nachhaltig verändert. Kaum mehr als eine Handvoll Kirchenmänner hat Herzog Maximilian von Bayern von seiner Münchner Residenz aus 1618 losgeschickt, um das leer stehende Eremitenkloster in Mindelheim wieder zum Leben zu erwecken. Für Mindelheim bildet dieses Datum eine wichtige Zäsur. Die Jesuiten sollten nicht nur den Glauben zur Katholischen Kirche festigen. Sie waren auch wichtige Lehrmeister und bereicherten das kulturelle Leben mit Theater und Musik.
In einer Zeit, in der es weder Radio noch Fernsehen und Internet gab und die einfachen Menschen nicht lesen und schreiben konnten, haben Theaterspiele die Menschen tief bewegt. In München hat ein solches Glaubensdrama einmal einen so tiefen Eindruck beim Publikum hinterlassen, dass sich anschließend gleich reihenweise die Menschen meldeten, um ins Kloster zu gehen.
Auch die Mindelheimer Jesuiten versuchten, den Menschen mit biblischen Theaterstücken im Glauben zu bestärken. Der Augsburger Musikwissenschaftler Prof. Dr. Franz Körndle sprach kürzlich vor Interessierten im Mindelheimer Pfarrheim zu dem Thema. Seinen For- schungen zufolge war es aber kein üppiges Theaterleben, das hier gepflegt wurde. Womöglich haben den Mindelheimer Ordensleuten einfach die Musiker und Chöre gefehlt, ohne die ein so prachtvolles Theater der Jesuiten nicht denkbar war.
Lange Zeit hat die Forschung das Ausmaß der Theaterwelt der Jesuiten unterschätzt. Die Quellen waren zwar nicht verloren gegangen, wie lange Zeit vermutet. Die Forscher hatten in den Archiven nur häufig an der falschen Stelle gesucht, erzählte Körndle. Die Dramen spielten als Propagandamittel im politischen Kampf der Gegenreformation eine wichtige Rolle. Auch gegen die drohende Türkengefahr im 16. und 17. Jahrhundert wurde mit solchen Dramen der Kampfgeist der Christenheit gestärkt.
Am Münchner Hof, wo die Jesuiten sehr einflussreich waren, wurden immer wieder größere Dramen einstudiert und aufgeführt. 1568 ging es bei der Fürstenhochzeit von Wilhelm V. und Renata von Lothringen besonders prächtig zu. Samson von Andreas Fabricius wurde aufgeführt. Vermutlich hatte Orlando di Lasso die Musik beigesteuert. Sie ist leider verloren gegangen. Überliefert ist nur, dass neun Hoftrompeter und fünf Stadtpfeifer im Einsatz waren.
Es waren vor allem berühmte Tonkünstler, die die Jesuiten für ihre christlichen Bühnenspiele verpflichteten. Neben di Lasso war beispielsweise auch Giovanni Luigi Palestrina einer der Komponisten.
So ganz heilig ging es dabei in den Texten nicht immer zu. Bei so manchen Stücken waren Trinklieder eingebaut worden, wo dem Gott des Weines zugeprostet wurde. Das wiederum brachte 1575 den Ordensgeneral der Jesuiten, Everardus Mercurian auf den Plan. Er forderte, obszöne Texte sollten aus den Jesuitenspielen verdammt werden. Der Aufruf scheint aber nicht den Widerhall gefunden zu haben, den sich der gestrenge Kirchenmann erhofft hatte. Die Stücke wurden jedenfalls nicht verbrannt.
In der Bayerischen Staatsbibliothek in München, aber auch in der Studienbibliothek in Dillingen an der Donau ist Prof. Körndle auf Textbücher mit Noteneintragungen gestoßen. Auch in Wien haben sich Noten erhalten. Die Stücke geizten nicht mit Aufwand und Technik. 1589 schafften es die Theatermacher in Graz, die Sonne aufgehen und den Mond verfinstern zu lassen. Tote sind wiederauferstanden. In Olmünz hat es ein lokaler Fürst einmal so übertrieben, dass sein Hof bankrott ging.
All diese Bühnenherrlichkeit war einem Heer von Maschinisten, Feuerwerkern und Schauspielern zu verdanken. Das hat einen ungeheuren Eindruck auf die Zuschauer gemacht, erzählte Prof. Körndle. Die Erde öffnete sich auf der Bühne, die Welt stürzte zusammen. Mit Logik hatte das wenig zu tun, wenn etwa Heilige geköpft wurden und diese dann selig singend den Weg in den Himmel antraten, während sie ihre Köpfe unter dem Arm geklemmt hielten.
In Mindelheim gab es solche großen Theateraufführungen wohl nicht, nach allem, was man weiß, sagte der Augsburger Musikwissenschaftler. Verbürgt sind solistische Gesänge und halbszenische Spiele. Als sicher gilt, dass München auf Mindelheim abstrahlte. So manches Stück der Jesuiten, das in München den Glauben befeuerte, fand seinen Weg nach Mindelheim. Die Lust der Mindelheimer an Theater und Fasching, sie könnte auf die Jesuiten zurückzuführen sein.