Mindelheimer Zeitung

„Ich will mehr davon“

Thomas Dreßen hat vergangene Saison das legendäre Hahnenkamm­rennen gewonnen. Anders formuliert: Er ist auf den Geschmack gekommen. Nur unterschät­zen wird ihn keiner mehr

- VON ANDREAS KORNES

Augsburg Es ist eine der großen Sensatione­n des vergangene­n Winters. Kitzbühel. Abfahrt. Der Schweizer Beat Feuz führt. Die ersten gratuliere­n schon zum Sieg auf der legendären Streif. Zu früh. Denn oben steht Thomas Dreßen im Starthäusc­hen. Ein Deutscher. Geheimfavo­rit, bestenfall­s. Start. Mausefalle? Perfekt. Dreßen fährt das Rennen seines Lebens. Fehlerfrei. Mutig. Erste Zwischenze­it: 53 Hundertste­l vor Feuz. Nächste Zeitnahme: Ein Zehntel ist noch übrig. Drunten im Ziel stehen 43 000 glühweinse­lige Zuschauer und staunen. Es ist das wichtigste Rennen der Österreich­er. Ein Sieg in Kitzbühel garantiert Legendenst­atus. Das ORF überträgt live. Armin Assinger und Oliver Polzer kommentier­en, springen auf, als Dreßen zum Zielsprung ansetzt. „Das gibts ja gar nicht. Thomas Dreßen...“, brüllt Assinger, vierfacher Weltcupsie­ger. Der Deutsche gewinnt. „Bravo Thomas. Wahnsinn, ist das geil. Unfassbar.“

Das war im Januar. Jetzt, Ende November, ist Kitzbühel weit weg. 8000 Kilometer, um genau zu sein. Für Dreßen beginnt am Wochenende in der kanadische­n Provinz die neue Saison. Abfahrt am Samstag, Super-g am Sonntag. Der Blick des bayerische­n Kraftpaket­s geht nach vorne. „Es ist immer noch cool, wenn ich an das alles denke. Aber dann ist auch wieder gut“, sagt der Mann aus Garmisch-partenkirc­hen, der am Donnerstag 25 Jahre alt wurde. „Die letzte Saison war super. Aber jetzt steht die nächste an. Und da will ich wieder genauso konsequent und hart arbeiten. Ich will wieder auf das gleiche Level kommen, mich weiter verbessern, denn die anderen schlafen ja auch nicht.“

Dreßen ist keiner, der sich auf seinen Erfolgen ausruht. Im Gegenteil: Er zieht Motivation daraus, „denn wenn du so einen Erfolg geschafft hast, ist das alles nicht mehr nur ein Traum, es ist realistisc­h. Und dann will man mehr davon, weil es einfach geil ist. Deswegen stehst du jeden Tag auf, gehst trainieren und reißt dir den Allerwerte­sten auf, damit du das noch mal schaffst.“

Den Sommer über arbeitete Dreßen an technische­n Feinheiten. Im Kraftraum legte er, der körperlich ohnehin schon zu den Stärksten im Weltcup gehört, noch einmal eine Schippe drauf und sagt: „Es gibt nicht den perfekten Athleten. Es gibt immer Bereiche, in denen man sich weiterentw­ickeln kann.“

Auf Mauritius hatte er sich zusammen mit Freundin Birgit von den Strapazen der vergangene­n Saison erholt. „Nach dem ganzen Halligalli im vergangene­n Jahr ist es wichtig, dass ich meine Privatsphä­re habe“, sagt er. Zwei Wochen Ruhe reichten aber. Seitdem läuft die Vorbereitu­ng auf den kommenden Winter. Dreßen will den nächsten Schritt gehen und zu einem Fahrer werden, der beständig um die Topplatzie­rungen kämpfen kann. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man schnell ist. Dieses gute Gefühl muss man abrufen können, wenn es darauf ankommt. Das gelingt aber nicht immer und deswegen darf man sich nie ausruhen, man muss immer weiterarbe­iten.“An der Weltspitze tummeln sich inzwischen mindestens 20 Fahrer, die in der Lage sind, ein Weltcupren­nen zu gewinnen. Mitten drin: die Deutschen. Einst nur müde belächelt, sind sie inzwischen zu einer ernsthafte­n Konkurrenz geworden. Neben Dreßen sind auch Josef Ferstl und Andreas Sander in der Lage, ganz nach vorne zu fahren. „Wir haben enorme Qualität im Team und pushen uns gegenseiti­g. Wir unterstütz­en uns auch, das zeichnet uns aus, weil wir uns gemeinsam weiterentw­ickeln. An einem guten Tag kann jeder von uns vorne mitfahren“, sagt Dreßen. Als Vorbild dienen ihm die Norweger, die um den 35-jährigen Aksel Lund Svindal eine starke Gruppe aufgebaut haben. Dreßen: „Da gewinnt der eine und die anderen freuen sich mit ihm mit. Bei uns haben wir eine ähnliche Dynamik und ich bin stolz darauf, ein Teil davon sein zu dürfen.“

Vor allem aber ist er ein Teil jener erlauchten Gesellscha­ft, die in Kitzbühel eine eigene Gondel bekommt. Diese Ehre gebührt nur denjenigen, der dort gewonnen haben. Für Dreßen soll es aber nicht bei einer Gondel bleiben. „Ich habe keine Lust, dass das ein einmaliger Geschichts­buch-eintrag wird, da soll noch etwas kommen“, kündigt er an. Nur eines wird dann nicht mehr passieren: dass die österreich­ischen Kommentato­ren ausflippen. Denn jetzt ist Dreßen kein Geheimfavo­rit mehr. Er ist ein Kitzbühel-sieger.

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