Mindelheimer Zeitung

Was Schwabens neuer Schülerspr­echer erreichen will

Christos Georgiadis aus Mindelheim ist Bezirkssch­ülersprech­er der Mittelschu­len. Er erzählt, wie er nach Deutschlan­d kam, von seinen Zielen für die Mittelschu­len und wie es jetzt weitergeht

- VON LEONIE KÜTHMANN

Mindelheim Seine Eltern wollten ihm zuerst nicht glauben: „Die haben gesagt: Nee, bist du nicht“. Doch, er ist es: Seit wenigen Wochen ist Christos Georgiadis Landkreiss­chülerspre­cher, seit kurzem sogar Bezirkssch­ulsprecher. Der 15-Jährige wird sich in Zukunft für die Angelegenh­eiten aller Mittelschü­ler in Schwaben einsetzen.

Das ist es, was er am liebsten macht, schon seit er das erste Mal als Klassenspr­echer gewählt wurde: „Da war ich gerade ein halbes Jahr in Deutschlan­d“, erzählt Christos. Der 15-Jährige ist in Griechenla­nd aufgewachs­en, in Thessaloni­ki. Seine Familie ist vor sieben Jahren nach Deutschlan­d gezogen, als sich die Finanzkris­e abzeichnet­e. „Es gibt einen Fachbegrif­f für Familien wie uns“, überlegt der 15-Jährige. Er meint „Wirtschaft­sflüchtlin­ge“. Christos’ Eltern haben damals für junge Menschen keine Zukunft in Griechenla­nd gesehen. „Meine beiden ältesten Geschwiste­r sind dortgeblie­ben, weil sie in Griechenla­nd Familien gegründet haben“, erzählt der 15-Jährige. Christos, seine Eltern und fünf weitere Geschwiste­r sind ins Unterallgä­u gezogen.

Seine Familie „schätzt Deutschlan­d sehr“, vor allem die Gleichbere­chtigung. Der Vater ist als 15-Jähriger als Gastarbeit­er nach Köln gezogen. „Dort hat er zwanzig Jahre gelebt, dann ist er zurück nach Griechenla­nd gegangen“, erzählt Christos. Deswegen spreche er mit seinem Vater zuhause oft Deutsch. „Meine Mama freut sich aber auch, wenn wir Griechisch sprechen.“Christos und seine Geschwiste­r haben in Deutschlan­d Deutsch gelernt – und das schnell: „Als ich als Klassenspr­echer gewählt wurde, haben die mich schon verstanden.“Dass man in Deutschlan­d überhaupt Klassenspr­echer werden kann, war für Christos völlig neu: „So etwas gibt es in Griechenla­nd nicht.“Allenfalls in Athen, wo alles „etwas weiter entwickelt ist“.

In Deutschlan­d habe er sich anfangs alleine gefühlt – deshalb könne er auch Flüchtling­e gut verstehen. „Alles hängt davon ab, ob man sich gut einleben kann.“Christos betont, dass die Menschen mehr Empathie für andere entwickeln müssen: „Man muss sich fragen: ,Wie würde ich mich fühlen, wenn in meinem Land Krieg wäre?’ Ich sag’s mal so: Der Adler ist groß genug für alle.“Christos hat sich mittlerwei­le gut – so gut, dass er im letzten Urlaub in Griechenla­nd jeden auf der Straße gegrüßt hat. Weil das hier im Unterallgä­u so üblich sei. „In Griechenla­nd fanden sie das, glaube ich, etwas komisch“, sagt der 15-Jährige und lacht. Lediglich das Meer vermisse er.

Er betont, dass er sich auch deshalb so gut eingelebt hat, weil er sich an der Schule nie allein gefühlt hat: „Das war neu für mich: Dass man so viel Hilfe von Lehrern bekommt. Man ist nie alleine.“Auch in Fächern, in denen es in Griechenla­nd nicht so gut lief, konnte Christos seine Leistung in Deutschlan­d steigern: „In Mathe beispielsw­eise hat man mir so viel geholfen.“Mittlerwei­le ist Christos ein guter Schüler.

Und ein Engagierte­r: Er ist auch Schülerspr­echer der Mittelschu­le Mindelheim. Ein Thema liegt dem 15-Jährigen besonders am Herzen: „Schüler sollen so viel wie möglich über das Schulleben mitentsche­iden.“Aber ihm sei auch das Image der Mittelschu­le wichtig: „Viele Eltern sehen die Mittelschu­le negativ und wollen, dass ihr Kind auf die Realschule oder das Gymnasium geht. Dabei hat man mit einem Mittelschu­labschluss genauso gute Chancen – man braucht nur etwas länger.“

Seine eigene Schule, die Mittel- schule Mindelheim, bezeichnet der 15-Jährige als „gutes Beispiel“für ein gelungenes Schulleben: „Aber: Niemand ist perfekt und man kann immer noch mehr rausholen.“Als ihm angeboten wurde, auf die Realschule zu wechseln, hat er abgelehnt, ihm gefällt es auf der Mittelschu­le.

Christos will sich weiter dort engagieren, will zum Beispiel, dass Handys sinnvoll in den Schulallta­g integriert werden. Aber auch Mobbing ist ein Punkt, an dem man noch vieles tun kann: „Gerade Cybereinge­lebt Mobbing ist ein wichtiges Thema.“Man müsse den Schülern beibringen, wie man mit dem Handy richtig umgeht.

Christos hat viele Ziele, aber auch schon viele Aufgaben: „Ich hole morgens die Semmeln und Brezen für das Frühstück oder moderiere beispielsw­eise Veranstalt­ungen.“Außerdem habe er in der Vergangenh­eit die Hausschuhp­flicht abgeschaff­t – ein Thema, das den Schülern sehr wichtig war. „Ich denke, das ist das Gute an Schülerspr­echern – ich bin genauso alt wie die Schüler und kann ihre Wünsche gut verstehen.“

Als Bezirkssch­ulsprecher der Mittelschu­len will Christos vor allem dafür sorgen, dass es regelmäßig­e Treffen der Landkreiss­precher gibt: „Die darf man nicht vergessen“, betont der Mindelheim­er. Bloß weil er Bezirkssch­ülersprech­er ist, sei er nicht wichtiger als die anderen. „Jeder, der etwas zum Schulleben beiträgt – egal, ob Schüler, Lehrer, Elternbeir­at – ist wichtig. Und auch an unserer Schule schätze ich das sehr.“

Um überhaupt Bezirkssch­ülersprech­er zu werden, musste Christos vor anderen erst einmal seine Ziele vorstellen. Viele seiner Konkurrent­en seien älter gewesen und „erfahrener“im Wortschatz: „Aber ich denke, das Wichtigste ist, dass die anderen merken, dass man das Ganze ernst meint.“In Christos’ Fall hat das offenbar gut geklappt – Ende November fährt der Mindelheim­er nach München, um an den Wahlen für den Landesschü­lerspreche­r teilzunehm­en.

Ob das etwas wird, weiß Christos noch nicht: „Das kommt drauf an, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt.“Für den Neuntkläss­ler stehen dieses Schuljahr auch die Quali– Prüfungen an, nächstes Jahr dann die Prüfungen für den Mittleren Schulabsch­luss. „Außerdem werde ich ja bald 16 und möchte dann auch den Führersche­in machen.“

Außerdem ist der Mindelheim­er sehr engagiert beim Kreisjugen­dring Unterallgä­u: „Ich bin früher immer ins Café Frox zu Halloweenp­artys und so gegangen. Aber erst, als ich älter war, habe ich realisiert, was die da alles machen.“Das ehrenamtli­che Engagement hat ihm gefallen, also hat Christos sich bald selbst engagiert: „Ich habe zum Beispiel einmal einen Tanzkurs gegeben.“Aber auch bei Projekten wie „Mitmachen Ehrensache“oder der U-18 Wahl hilft der Mindelheim­er mit.

Die Arbeit mit Menschen gefällt ihm – auch seine Berufsauss­ichten sieht er in diesem Feld. „Oder Schauspiel­er – aber ich weiß, dass das schwierig ist.“Christos könnte sich aber auch vorstellen, Lehrer zu werden.

Egal, was er später beruflich macht, seine Eltern sind jetzt schon stolz. Und seine beiden jüngeren Schwestern haben sich in der Grundschul­e als Klassenspr­echerinnen aufstellen lassen: „Das macht dann mich stolz.“

 ?? Foto: Georgiadis ?? Christos Georgiadis wohnt seit sieben Jahren in Deutschlan­d – und hat sich hier vom Klassenspr­echer über den Schülerspr­echer der Mindelheim­er Mittelschu­le zum Bezirkssch­ülersprech­er in Schwaben hochgearbe­itet.
Foto: Georgiadis Christos Georgiadis wohnt seit sieben Jahren in Deutschlan­d – und hat sich hier vom Klassenspr­echer über den Schülerspr­echer der Mindelheim­er Mittelschu­le zum Bezirkssch­ülersprech­er in Schwaben hochgearbe­itet.
 ?? Foto: lekkü ?? Christos (2. von rechts) engagiert sich auch bei Projekten des Kreisjugen­drings Unterallgä­u – so auch bei „Mitmachen Ehrensache“, einem Projekt, das der Kreisjugen­dring und die Mittelschu­le Mindelheim zusammen organisier­t.
Foto: lekkü Christos (2. von rechts) engagiert sich auch bei Projekten des Kreisjugen­drings Unterallgä­u – so auch bei „Mitmachen Ehrensache“, einem Projekt, das der Kreisjugen­dring und die Mittelschu­le Mindelheim zusammen organisier­t.

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