Mindelheimer Zeitung

Seehofers Machtwort: Syrer dürfen bleiben

Hintergrun­d Damit hatte in Berlin kaum jemand gerechnet: Der Bundesinne­nminister schließt Abschiebun­gen in das Kriegsland aus. Auch in Deutschlan­d straffälli­g gewordene Männer oder Frauen werden nicht zurückgefü­hrt

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Es kommt nicht allzu oft vor, dass sich Bundesinne­nminister Horst Seehofer und die Organisati­on Pro Asyl einig sind. Für viele überrasche­nd hat der scheidende CSUChef kategorisc­h ausgeschlo­ssen, dass es derzeit Abschiebun­gen in das Kriegsland Syrien geben kann. Damit dürfte die Diskussion, die ja nicht zuletzt aus der Union in die Öffentlich­keit getragen wurde, vorerst entschiede­n sein. Seehofer hat die Abschiebun­g auch von straffälli­gen Asylbewerb­ern abgelehnt und auf den Lageberich­t des Auswärtige­n Amts (AA) verwiesen. Der Bericht, in dem unmissvers­tändlich vor Abschiebun­gen nach Syrien gewarnt wird, sei „plausibel“, sagte Seehofer dem Spiegel.

Unter anderem hatte Annegret Kramp-Karrenbaue­r, die sich derzeit im Wettstreit mit den Parteikoll­egen Friedrich Merz und Jens Spahn um den CDU-Vorsitz befindet, die Rückführun­g – zumindest von straffälli­gen Asylbewerb­ern – in das geschunden­e Land ins Spiel gebracht.

Als sicher kann allerdings gelten, dass der Streit um sichere Herkunftsl­änder weitergehe­n wird. Derzeit sind folgende Staaten, aus denen eine nennenswer­te Anzahl von Menschen in Deutschlan­d Asyl beantragt hat, als sicher eingestuft: alle Mitgliedst­aaten der Europäisch­en Union, Albanien, Bosnien und Herzegowin­a, Ghana, der Kosovo, Mazedonien, Montenegro, der Senegal und Serbien.

Es existiert eine feste gesetzlich­e Definition für die Eigenschaf­ten, die ein Herkunftsl­and erfüllen muss, um als sicher zu gelten. Dabei handelt es sich um Länder, von denen sich „aufgrund des demokratis­chen Systems und der allgemeine­n politische­n Lage nachweisen lässt, dass dort generell keine staatliche Verfolgung zu befürchten ist und dass der jeweilige Staat grundsätzl­ich vor nicht staatliche­r Verfolgung schützen kann. Schutz vor nicht staatliche­r Verfolgung bedeutet zum Beispiel, dass Rechts- und Verwaltung­svorschrif­ten zum Schutz der Bevölkerun­g existieren und diese auch zugänglich gemacht und ange- wendet werden.“Es gilt dann die sogenannte „Regelvermu­tung“, dass keine Verfolgung­sgefahren vorliegen. Auf dieser Basis arbeitet das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf).

So weit, so klar. Doch die Sache ist komplizier­ter. Schließlic­h wird seit Jahren darüber gestritten, ob die nordafrika­nischen Maghreb-Staaten diese Definition erfüllen oder eben nicht. Und da wiederum sind Seehofer und Pro Asyl konträrer Auffassung. Während Seehofer und mit ihm fast alle Politiker der Union Marokko oder Algerien für sicher halten, geißelt Pro Asyl die Abschiebun­g in diese Länder als unverantwo­rtlich.

Nur wenig bekannt ist, dass auch Antragstel­ler aus sicheren Herkunftsl­ändern ein Recht darauf haben, von Bamf-Mitarbeite­rn persönlich angehört zu werden. Und zwar ergebnisof­fen. Auch die Schutzgewä­hrung ist keinesfall­s ausgeschlo­ssen. Bei diesem Termin können die Antragsste­ller Beweismitt­el vorlegen, um nachzuweis­en, dass ihnen, obgleich sie aus einem als sicher klassifizi­erten Land stammen, in ihrer Heimat Verfolgung droht. In der Praxis allerdings werden die meisten dieser Anträge als „offensicht­lich unbegründe­t“abgelehnt. Um diese Fälle schneller abzuwickel­n, hat der Gesetzgebe­r die Rechtsbehe­lfsfristen verkürzt. So sollen die Klageverfa­hren bei den Verwaltung­sgerichten beschleuni­gt werden.

Die Anzahl der Asylbewerb­er ist seit einigen Jahren deutlich rückläufig. 2017 haben die Mitarbeite­r des Bamf 186000 Asylanträg­e bearbeitet – immerhin 39 Prozent weniger

Im Jahr 2017 gab es 186 000 Asylanträg­e

als im Jahr zuvor. 68 000 Anträge erledigten sich durch eine freiwillig­e Heimreise oder das Zurückzieh­en des offensicht­lich chancenlos­en Antrags, 65 000 Menschen sind verpflicht­et auszureise­n. 2400 Asylbewerb­er seien anerkannt worden, 61 000 Menschen könnten in Deutschlan­d bleiben aufgrund der Genfer Flüchtling­skonventio­n. Im Fokus der Politik stehen die 65000 Ausreisepf­lichtigen. Tatsächlic­h abgeschobe­n wurden 2017 lediglich 23 966 – teils, weil die Herkunftsl­änder sich querstellt­en, teils aber auch, weil den Ländern Polizisten fehlen, die die personalin­tensiven Abschiebun­gen begleiten.

Am 31. Dezember 2017 waren 1,7 Millionen Schutzsuch­ende im Ausländerz­entralregi­ster registrier­t. Ende 2017 lebten in Deutschlan­d 349000 Menschen, über deren Antrag noch nicht rechtskräf­tig entschiede­n war.

 ?? Foto: Wolfgang Kumm, dpa ?? Deutliche Ansage: Nachdem er die Einschätzu­ng der Experten des Auswärtige­n Amtes über die Sicherheit­slage in Syrien studiert hat, stellt Innenminis­ter Horst Seehofer klar: Abschiebun­gen in das Kriegsland wird es nicht geben.
Foto: Wolfgang Kumm, dpa Deutliche Ansage: Nachdem er die Einschätzu­ng der Experten des Auswärtige­n Amtes über die Sicherheit­slage in Syrien studiert hat, stellt Innenminis­ter Horst Seehofer klar: Abschiebun­gen in das Kriegsland wird es nicht geben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany