Mindelheimer Zeitung

Kopftuch ist tabu

Österreich Die Regierung will die Verhüllung an Volksschul­en verbieten

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Kopftücher und Turbane sollen ab dem nächsten Schuljahr in Österreich­s Volksschul­en verboten werden. Den entspreche­nden Gesetzentw­urf haben die Koalitions­fraktionen ÖVP und FPÖ vorgelegt. Das Verbot könnte allerdings gegen das in der Verfassung garantiert­e Grundrecht auf Religionsf­reiheit verstoßen. Doch die rechtskons­ervative Regierung ist einmal mehr bereit, die rechtliche­n Grenzen ihrer Politik auszuteste­n.

„Weltanscha­ulich oder religiös geprägte Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“werde untersagt, heißt es im Gesetzentw­urf. Dieses Verbot diene „der sozialen Integratio­n von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten“. Nach Aussagen des Vorsitzend­en der FPÖ-Fraktion, Walter Rosenkranz, soll die Regelung auch für den Turban, aber nicht für die jüdische Kippa gelten. Wenn es nach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geht, soll das Kopftuchve­rbot mittelfris­tig auch an den Universitä­ten eingeführt werden.

Verstoßen Kinder ab dem Schuljahr 2019/20 gegen das Kopftuchve­rbot, muss die jeweilige Schulleitu­ng laut Gesetzentw­urf die Schuldirek­tion verständig­en. Sie wird die Eltern des Mädchens kurzfristi­g zu einem verpflicht­enden Gespräch vorladen. Wenn das Kind danach weiter mit „verhülltem“Haupt in die Schule kommt, sollen Geldstrafe­n bis zu 440 Euro oder Freiheitss­trafen bis zu zwei Wochen für die Eltern fällig werden.

Da sowohl das Grundrecht auf Religionsf­reiheit als auch das Elternrech­t durch das neue Gesetz berührt werden könnten, müsste eigentlich die Verfassung geändert werden. Dafür haben ÖVP und FPÖ allein allerdings keine ausreichen­de Mehrheit, da die Sozialdemo­kraten und die liberalen NEOS ihre Zustimmung verweigern. Die Opposition­sparteien fordern dafür eine Gegenleist­ung der Regierung, beispielsw­eise mehr Geld für Sprachlehr­er und Sozialarbe­iter an Schulen. Genau das hat das Parlament in dieser Woche mit den Stimmen der Opposition für Kindergärt­en einstimmig beschlosse­n. Parallel zum Kopftuchve­rbot wurden mehr Sprachförd­erung, erweiterte Öffnungsze­iten und ein Gratis-Kindergart­enjahr ausgehande­lt. Aus Sicht der SPÖ war das akzeptabel, weil in Kindergärt­en Mädchen mit Kopftücher­n die Ausnahme sind. Auch an Schulen handelt es sich eher um ein Randproble­m.

ÖVP und FPÖ sind fest entschloss­en, ihren Wählern zu demonstrie­ren, wie unnachgieb­ig sie die heimischen Werte verteidige­n. Dafür sind sie bereit zu riskieren, dass der Verfassung­sgerichtsh­of das Gesetz kassiert. Unklar ist auch, ob der Gesetzentw­urf vor dem Europäisch­e Gerichtsho­f Bestand haben wird.

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