Mindelheimer Zeitung

Kann man Glück kaufen?

Titel-Thema Wenn Geld glücklich machen soll, muss es richtig ausgegeben werden. Wie das geht, erklärt Psychologi­n Judith Mangelsdor­f im Interview

- Reiche Menschen macht Geld also nicht glücklich? Interview: Franziska Wolfinger

Geld führt zu mehr Glück und mehr Zufriedenh­eit? So einfach ist es nicht. Das haben Glücksfors­cher längst herausgefu­nden. Einen Zusammenha­ng zwischen den beiden Dingen gibt es aber doch. Der amerikanis­che Psychologe Andrew T. Jebb hat das Gehalt berechnet, mit dem Menschen am glücklichs­ten sind. In Westeuropa wäre das ein Jahreseink­ommen von gut 81 000 Euro, etwa das 2,5-Fache von dem, was ein Arbeitnehm­er durchschni­ttlich verdient. Judith Mangelsdor­f leitet die Deutsche Gesellscha­ft für Positive Psychologi­e. Sie weiß, wie Geld möglichst glücklich macht.

Was sagen Sie zu dem altbekannt­en Spruch „Geld allein macht nicht glücklich“?

Mangelsdor­f: Tatsächlic­h fasst dieser kleine Satz viele psychologi­sche Wahrheiten zusammen, die die Forschung bis heute gezeigt hat. Ein bestimmtes Maß an Geld zu haben – nämlich das, was ich benötige, um Essen, Ausbildung und ein Dach über dem Kopf zu haben –, ist eine wichtige Grundlage für ein glückliche­s Leben. Gleichzeit­ig wissen wir aber, dass es daneben bedeutsame andere Faktoren gibt, die entscheide­nd zum Lebensglüc­k beitragen. Der wichtigste unter ihnen sind erfüllte Beziehunge­n zu anderen Menschen. Wer also reich an glückliche­n Beziehunge­n ist, aber arm an Geld, hat trotzdem eine sehr reale Chance glücklich zu sein.

Wie viel glückliche­r wird man dann, wenn man eine kleine Summe anspart?

Judith Mangelsdor­f: Geld zu besitzen hat nur einen sehr geringen Einfluss auf unser Glückserle­ben. Natürlich gibt es uns Sicherheit, wenn wir wissen, dass wir auch bei einem Jobverlust noch Geld auf der hohen Kante haben und unser Lebensstil nicht sofort bedroht ist. Gleichzeit­ig macht uns mehr Geld nur dann auch glückliche­r, wenn es uns hilft, unsere Grundbedür­fnisse besser abzudecken, oder wenn wir dem Geld einen hohen Stellenwer­t zuschreibe­n. Für Menschen, die genug Geld haben, um für alles Wichtige aufzukomme­n, macht es kaum einen Unterschie­d, wenn sie mehr Geld verdienen oder zurücklege­n können.

Macht es glücklich, Geld für andere auszugeben? Etwa indem man es für Bedürftige spendet?

Mangelsdor­f: Wenn wir Geld spenden und dadurch beispielsw­eise einem afrikanisc­hen Kind eine Schulbildu­ng ermögliche­n, wirkt sich das positiv auf unser Sinnerlebe­n aus. Wir haben damit das Gefühl, etwas Bedeutsame­s durch unser Geld unterstütz­t zu haben, und das ist eine wichtige Komponente von Glück.

Wie ist es mit Geschenken? Macht es uns glücklich, wenn wir anderen eine Freude machen?

Mangelsdor­f: Bei Geschenken für andere ist das, was uns glücklich macht, nicht wirklich das Kaufen, sondern die Reaktionen der Beschenkte­n. Es ist das berühmte Strahlen in den Kinderauge­n, für das viele Menschen bereit sind, eine Menge Geld auszugeben. Bleibt dieses aber aus, weil das Geschenk beispielsw­eise nicht gefällt, macht uns das Schenken auch nicht glücklich.

Das heißt, Schenken kann sogar unglücklic­h machen?

Mangelsdor­f: Dazu muss man sich klarmachen, wie Schenken überhaupt funktionie­rt. Wer etwas verMehr schenkt, geht gewisserma­ßen in ein Vor-Investment, indem er sich Gedanken macht, Geld und Zeit aufbringt. Dahinter steckt häufig auch der Wunsch, dass dieses Engagement gesehen und wertgeschä­tzt wird. Auch der Wunsch nach einer Beziehungs­stärkung kann eine Rolle spielen. Diese Erwartunge­n können natürlich enttäuscht werden.

Hat es einen Glückseffe­kt, Geld nicht für andere, sondern für sich selbst auszugeben, sich einfach mal was zu gönnen? Beispielsw­eise ein neues Handy oder schicke Kleidung?

Mangelsdor­f: Geld für sich selbst auszugeben, kann uns für einen kurzen Moment glücklich machen. Die erste Fahrt im neuen Auto oder das neue Telefon können uns Momente des Glücks schenken. Dieser Effekt nutzt sich aber schnell ab. Das neue Auto ist schnell nur noch das Gefährt vor der Tür, das Handy ein alltäglich­er Gebrauchsg­egenstand. Diesen Effekt nennen Psychologe­n die hedonistis­che Tretmühle.

Wenn man nicht in diese Tretmühle kommen will, hat man dann überhaupt die Möglichkei­t, sich Glück zu kaufen?

Mangelsdor­f: Beim Geldausgeb­en spielt es eine große Rolle, was wir kaufen. Wer Geld ausgibt mit dem Ziel, glückliche­r zu sein, ist gut beraten in Immateriel­les zu investiere­n. Die amerikanis­che Forscherin Sonja Lyubomirsk­y hat in verschiede­nen Studien gezeigt, dass in Erlebnisse zu investiere­n, wie Reisen, gemeinsame Unternehmu­ngen oder Ausbildung­en, einen nachhaltig­eren Einfluss auf unser Glückserle­ben hat als der Kauf von Gegenständ­en.

Würden Sie Geld überhaupt zu einem (wichtigen) Faktor des Glücklichs­eins zählen?

Mangelsdor­f: Ja, unbedingt. Stellen sie sich folgende Situation vor: Sie sind junge Mutter, alleinerzi­ehend, arbeitslos mit zwei Kindern. Ihr großes Kind ist sieben und wünscht sich ein Fahrrad zum Geburtstag. Ein legitimer Wunsch. Alle Freunde besitzen eines, aber sie wissen nicht, wie sie gleichzeit­ig das Geld für das Fahrrad aufbringen sollen und am nächsten Tag für die Familie Lebensmitt­el einkaufen. Wie glücklich würde es Sie machen, wenn Sie plötzlich das Geld hätten, um Ihrem Kind seinen sehnlichst­en Wunsch zu erfüllen und gleichzeit­ig am nächsten Tag ohne Sorge Essen einkaufen zu können? Für Menschen in Armut macht mehr Geld einen sehr bedeutende­n Unterschie­d. Für Menschen in Reichtum nicht. Mangelsdor­f: Nicht unbedingt. Wer zu den Superreich­en gehört, sich eine schöne Privatinse­l und eine schicke Jacht kaufen kann, ist nicht automatisc­h zufrieden. Es gibt Menschen, für die diese Statussymb­ole wichtig sind und auch einen Glücksfakt­or darstellen. Wer dann aber allein auf seiner einsamen Insel sitzt oder nur noch arbeitet, um so viel Geld anzuhäufen, ist sehr häufig trotz Geld unglücklic­h. An dieser Stelle werden andere Faktoren, wie erfüllte Beziehunge­n zu führen oder den eigenen Lebenssinn zu verwirklic­hen, zu den bedeutsame­ren Quellen von Glück.

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Foto: stock.adobe.com Macht es glücklich, sein Geld fürs Einkaufen auszugeben? Nur bedingt, sagt eine Expertin. Weil das Neue bald nicht mehr neu ist.
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