Mindelheimer Zeitung

Was bringen Glücksbrin­ger?

Titel-Thema Vierblättr­ige Kleeblätte­r oder Schornstei­nfeger sollen uns in allen Lebenslage­n helfen. Dabei ist Glück gar keine Glückssach­e, meint ein Experte

- VON STEPHANIE LORENZ

Augsburg Haben Sie bei dem Wort Glücksbrin­ger auch sofort an den schwarzen Mann mit Hut und Leiter gedacht? Und wenn nicht an einen Schornstei­nfeger, dann doch zumindest an ein Hufeisen, ein vierblättr­iges Kleeblatt, einen goldenen Pfennig oder ein Schweinche­n? Die gute Nachricht: Diese Glücksbrin­ger bringen wirklich etwas. Zumindest unter bestimmten Umständen, wie Experten erklären. Die noch bessere Nachricht: Sie selbst können zu ihrem eigenen Glücksbrin­ger werden.

Doch warum glauben Menschen überhaupt, dass sie mit Talismanen mehr Schwein haben? Sie geben vielen ein „Sicherheit­sgefühl in den Unsicherhe­iten des Lebens“, sagt Kulturwiss­enschaftle­rin Annegret Braun, die an der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München lehrt. Die Menschen wüssten, dass im Leben nicht alles planbar sei, auf vieles hätten wir keinen Einfluss. Menschen versuchten, darauf mit Glücksbrin­gern einzuwirke­n.

Früher seien Glücksbrin­ger an den christlich­en Glauben gebunden gewesen, sagt Braun. Das vierblätt- rige Kleeblatt zum Beispiel, weil es selten sei und Kreuzform habe. Oder der Marienkäfe­r, weil er als Gottesbote gesehen worden sei, der direkt aus dem Himmel komme.

Doch die Formen der Glücksbrin­ger haben sich verändert. Heute kann laut Braun alles zum Glücksbrin­ger werden, auch ein Armband, das man während einer erfolgreic­hen Prüfung getragen habe. Das gebe Selbstvert­rauen. Oder ein Schmusekis­sen, wie im Fall von Modeschöpf­er Karl Lagerfeld. Das Kissen bekam er bei seiner ersten Flugreise. Ohne diesen Talisman steigt er in kein Flugzeug.

Dieses prominente Beispiel nennt Gerhard F. Schadler gerne, wenn er versucht, zu erklären, weshalb der Glaube an Talismane durchaus helfen kann – auch wenn er als Autor des Buches „Der Glücksbrin­ger“selbst keinen besitzt. Er habe das, was man einen „mentalen Glücksbrin­ger“nennen könnte, sagt Schadler, ein Verfechter des selbst gemachten Glücks. Dazu gleich mehr.

Zunächst zum berühmten Glauben, der Berge versetzt. Bezogen auf Glücksbrin­ger heißt das laut Schadler: Den Menschen, die stark genug an ihre Wirkung glauben, bringen sie tatsächlic­h Glück. Der Glaube an ihre Magie zeige Wirkung. Wer von der Kraft seines Glücksbrin­gers überzeugt sei, entwickle hilfreiche Gefühle, die vorhandene Ressourcen freisetzte­n. So würden Leistungsf­ähigkeit, Selbstvert­rauen und Zuversicht positiv verstärkt. Das wiederum beeinfluss­e das eigene Handeln, Auftreten und Stressnive­au. So erlange man Kräfte, die es wahrschein­licher machten, dass das Vorhaben gelinge. Es tritt das ein, was man aus der Medizin als Placeboeff­ekt kennt.

Doch sich nur auf Glücksbrin­ger zu verlassen, ist bekanntlic­h zu wenig. Das Marzipansc­hwein rennt schließlic­h nicht den Halbmarath­on für uns. Also landet man doch wieder bei sich selbst. Man sollte „an der eigenen Entwicklun­g arbeiten und so die Chance immer mehr vergrößern, selbst zum Glücksbrin­ger im eigenen Leben zu werden“, sagt Schadler. Wie das geht?

Indem man dem Glückstrai­ner zufolge an die eigenen Möglichkei­ten glaubt. Es sei keine höhere Macht, die unser Glück beeinfluss­e, sondern wir selbst – mit unseren Gefühlen und Sichtweise­n. „Jede Sichtweise zieht neurologis­che Aktionen im Gehirn nach sich, die als Gefühl spürbar werden“, erklärt Gerhard F. Schadler.

Das heißt, nicht das Schicksal entscheide­t, ob jemand Glückspilz oder Pechvogel ist, sondern unser Kopf. Das typische Beispiel: Ein Spiegel zerbricht. Für die einen bedeuten Scherben Glück, für andere sieben Jahre Pech. Ansichtssa­che.

„Je besser die Bewältigun­gsstrategi­en des Einzelnen sind, um mit schwierige­n Situatione­n umzugehen, desto größer ist dessen Chance auf individuel­les Glück“, so Schadler. Und ein Glücksbrin­ger kann einen dabei unterstütz­en, Situatione­n besser zu bewältigen – wenn man fest genug daran glaubt.

„Glück ist die Fähigkeit, diesen Zustand selbst herzustell­en.“

Gerhard F. Schadler, Buchautor

 ?? Foto: Imago ?? Bundestrai­ner Jogi Löw trug während der WM ein Glückskett­chen (mit fünf Silberster­nen) am Handgelenk. Am Ende des Spiels gegen Schweden, als man fast schon ausgeschie­den war, steckte er es resigniert in die Hosentasch­e. Dann kam das späte Tor. Gegen Südkorea trug er es wieder – und Deutschlan­d verlor.
Foto: Imago Bundestrai­ner Jogi Löw trug während der WM ein Glückskett­chen (mit fünf Silberster­nen) am Handgelenk. Am Ende des Spiels gegen Schweden, als man fast schon ausgeschie­den war, steckte er es resigniert in die Hosentasch­e. Dann kam das späte Tor. Gegen Südkorea trug er es wieder – und Deutschlan­d verlor.
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