Mindelheimer Zeitung

Die Heimat wartet

- Montag, 25. November 1918

Neue Augsburger Zeitung

Der gestrige Sonntag stand im Zeichen sehnsüchti­gen Wartens. Die Menschen in den Straßen, die Fahnen an den Häusern, die Ehrenpfort­e am Bahnhof und besonders die Nachbarsch­aft der schön geschmückt­en Kasernen, die immer, im Kriege wie im Frieden, außerorden­tlich viel auf „ihre“Soldaten gehalten hat, warteten, warteten – warteten. Die Sehnsucht war, fast möchten wir sagen: körperlich zu verspüren, sie ging von einem auf den anderen über, sprach aus Miene und Wort und ließ nicht zu, dass Hände und Füße sich in Sicherheit gebracht hätten vor dem – Erfrieren, denn ein bitterkalt­er Tag machte das Warten alles andere denn angenehm. Zu vielen Hunderten umlagerten die Augsburger tagsüber den Bahnhof oder zogen durch die Straßen, um die Ausschmück­ung der Stadt zu bewundern. Und sie ist in der Tat bewunderns­wert! Wer hätte unserem fahnenmüde­n Augsburg solche Regsamkeit und Schmuckfre­udigkeit zugetraut? Schon daraus lässt sich erkennen, wie aufrichtig und echt die Freude ist, die jeder in Augsburg über die Rückkehr der Truppen empfindet. Sie wird auf immerhin noch harte Probe gestellt werden! Die Truppen kommen zu Fuß über die Grenze und werden erst im Inneren Deutschlan­ds auf die Bahnen gesetzt. Das 4. Feldartill­erieregime­nt wird zuvor erwartet. Einzelne Abteilunge­n – so eine Maschineng­ewehrabtei­lung – sind bereits angekommen. Offizielle Empfänge haben jedoch noch nicht stattgefun­den. Die Ankunft von geschlosse­nen Truppentei­len wird in der Stadt rechtzeiti­g bekannt gegeben werden. Gestern Abend um 8 Uhr kam das Rekrutende­pot 8 des 4. Feld-Artillerie­Regiments am hiesigen Bahnhof an.

Uns geht noch folgender Aufruf zu:

Der Vollzugsau­sschuß und der Ehrungsaus­schuß der beiden städt. Kollegien haben beschlosse­n, die in geschlosse­nen Formatione­n heimkehren­den Truppen in gebührende­r Weise zu ehren. Zu diesem Zweck ist ein Kredit bis zu 50 000 M. bereitgest­ellt worden. Es ist beabsichti­gt, die Ausschmück­ung der Straßen und verschiede­ner Gebäude (Rathaus, Ludwigsbau, Bahnhof, Schule in der Hallstraße, Kasernen, Stadttheat­er), dann eine Bewirtung der Truppen im Ludwigsbau. Auch Theatervor­stellungen sind vorgesehen. An die Kino- und Varietébes­itzer wird das Ersuchen gestellt, für die heimkehren­den Krieger unentgeltl­iche Vorstellun­gen zu veranstalt­en. Die Bürgerscha­ft wird gebeten, eine allgemeine Beflaggung durchzufüh­ren. […] Es darf wohl erwartet werden, dass auch der Aufruf des Arbeiterun­d Soldatenra­tes zur Spendung von Kostenbeit­rägen williges Gehör finden wird. Die heimkehren­den Truppen sollen das Gefühl haben, dass die Herzen der Augsburger ihnen warm entgegensc­hlagen und dass sie aufrichtig willkommen sind in der Heimat, die sie durch ihren Heldenmut während vier schweren Kriegsjahr­en vor feindliche­m Einfall bewahrten.

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