Ein Leben im Schweben
Neuvorstellung Der neue Mercedes-Benz GLE verfügt über ein Dämpfersystem, das den Kontakt zur Straße beinahe leugnet. Sogar ein Tänzchen wagt die Technik. Doch was hat der Besitzer konkret von dem Super-Fahrwerk?
Als die pochenden Elektro-Beats einsetzen, macht der Daimler plötzlich einen Hüpfer nach vorne. Und einen zurück. Zumindest sieht es so aus als ob. Er wippt auf den Zehenspitzen, wackelt mit den Schultern, reckt zur Musik das Hinterteil und vollführt das, was der Tanzlehrer einst einen Wie-ge-schritt nannte. Zuschauer verfolgen die Einlage johlend. Das Video wird zum Renner im Netz. Hauptdarsteller: der Mercedes-Benz GLE.
Dass ausgerechnet die schwäbische Traditionsmarke die jüngste Generation des Dickschiffs nach Art der Lowrider (so nennt man die verrückten tanzenden Autos in den USA) inszeniert, zeigt: Wer in der SUV-Flut von heute auffallen will, muss sich etwas einfallen lassen. Vor mehr als 20 Jahren begründete der GLE, der früher ML hieß, das Segment der Premium-SUVs. Wer hätte damals gedacht, dass die mehr oder weniger sinnbefreiten StraßenGeländewagen einmal den Weltmarkt beherrschen?
Doch zurück in die Zukunft. Der gibt Mercedes mit seinem revolutionären elektrohydraulischen Dämpfersystem einen Schub. Die Technik dient neben dem Show-Tanz natürlich auch seriösen Einsatzzwecken. Erstmals gelingt es im GLE, jedes einzelne Rad in Sekundenbruchteilen um bis zu einer Handbreit anzuheben oder abzusenken. Was der Fahrer davon hat?
Zum Beispiel einen hoch bauenden Koloss, der sich nicht wie viele seiner Artgenossen in den Kurven neigt, sondern nahezu jede unangenehme Wank- und Nickbewegung der Karosserie unterbindet – ein SUV, der kein SUV sein will. Was bekommt sein Besitzer noch? Zum Beispiel ein Auto, das sich von alleine auf Schlaglöcher einstellt, da es dieselben dank einer Stereo-Kamera, die permanent die Straße scannt, früher sieht als der Fahrer. Was die „E-Active Body Controll“im Extremfall noch leistet: Sie hilft, den Wagen durch rhythmisches Heben und Senken frei zu fahren, wenn der etwa im Sand stecken geblieben ist.
Für solche Gimmicks allein werden potenzielle Käufer kaum 7735 Euro zusätzlich berappen. Müssen sie auch nicht, schließlich trägt einen schon der bekannte Unterbau mit Luftfeder und Aktivdämpfer wie auf Händen. Mit dem neuen System nun erweckt Mercedes den Eindruck, als habe man die Hände auch noch weggezogen; und der GLE schwebte wie von magischen Kräften gehalten über der Straße. Der Komfortgewinn ist das stärkste Argument für das Luxus-Fahrwerk.
nichts anderes als Komfort und um Luxus erwartet die Zielgruppe. Das fängt beim Platz an. Auf fast drei Metern Radstand lässt es sich leben. Der Kofferraum ist mit bis zu 2055 Liter Volumen eine wahre Ladehalle. Wie das geht? Um satte zehn Zentimeter ist der Wagen in der Länge gewachsen. Auch Mercedes wollte sich dem umstrittenen Trend zu immer noch größeren SUVs also nicht entziehen. Man muss dem Hersteller aber anrechnen, dass die Zusatz-Zentimeter wirklich den Insassen zugutekommen. Die Fondpassagiere genießen nun eine Beinfreiheit von über einem Meter auf ihrem voll elektrisch verstellbaren Gestühl; und erstmals lässt sich sogar eine dritte Bank installieren (1100 Euro), was den GLE in einen Siebensitzer verwandelt.
Löblich im Übrigen, dass dem Mega-SUV seine üppigen Ausmaße äußerlich nicht wirklich anzusehen sind. Im Gegenteil. Der Wagen wirkt etwa durch die weiter in die Ecken gestellten Räder und die daDenn raus resultierenden kürzeren Überhänge deutlich kompakter, ja sportlicher als der Vorgänger. Die Proportionen stimmen.
Im Interieur fällt vor allem das konsequente horizontale Design auf, welches das großzügige Raumgefühl verstärkt. Vor dem Armaturenbrett des GLE sitzen Fahrer und Beifahrer wie an einer Art Theke. Die Mittelkonsole taucht förmlich unter den Instrumententräger ein. Materialmix, Verarbeitung, Bedienbarkeit und nicht zuletzt das LeiseNiveau sind so, wie sie in einem 100000-Euro-Auto sein müssen. Niemand lasse sich von den Einstiegspreisen von deutlich unter 70000 Euro blenden: Wer auf der Extra-Liste ein paar Kreuzchen macht, wird eine sechsstellige Summe schnell erreichen. Wenigstens sind Allrad und Neungang-Automatik serienmäßig an Bord.
Die Preise beginnen bei 65807 Euro für einen GLE 300 d 4 Matic mit 245-PS-Diesel, der allerdings „nur“vier Zylinder beherbergt. Seine standesgemäßeren Sechszylinder-Brüder leisten 272 und 330 PS. Alle Diesel verfügen über einen zweiten SCR-Katalysator im Unterboden, was minimale StickoxidEmissionen gewährleisten soll. Der kleine Selbstzünder schafft die Euro 6d Temp, die größeren sogar die künftige Euro-6d-Norm. Ferner im Angebot: ein mit einem 48-VoltBordnetz elektrifizierter Sechszylinder-Benziner, den eine E-Maschine mit zusätzlichen 250 Newtonmetern Drehmoment boosten kann. Diese Version kostet mindestens 72650 Euro.
Weitere Preise gab Mercedes noch nicht bekannt. Die Auslieferung des GLE soll im Februar beginnen. Im Laufe des Jahres will der Hersteller einen Plug-in-Hybriden nachschieben, der rund 100 Kilometer rein elektrisch zurücklegen können soll. Auf das eingangs erwähnte Tänzchen übrigens werden Interessenten lange warten müssen: Diese Show war eine einmalige. Allein der Premiere vorenthalten. Der GLEGag wird nie in den Verkauf gelangen. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt.