Mindelheimer Zeitung

Was wollen Gäste, was die Bürger?

Nachgefrag­t Die Allgäu GmbH feilt an einer neuen Markenstra­tegie und stellt jetzt viele Fragen

- Interview: Uli Hagemeier

Bad Wörishofen Die Allgäu GmbH will es wissen: Was macht unsere Region aus und wohin soll sie sich entwickeln? Dazu werden bis zum Jahresende Gäste und Einheimisc­he befragt, es gibt Experten-Interviews und wissenscha­ftliche Analysen. Das soll dann zu einem Gesamtbild zusammenge­führt werden – eine Weiterentw­icklung der „Marke Allgäu“, schildert Marketingl­eiter Stefan Egenter.

Jedes Jahr kommen mehr Gäste ins Allgäu. Wofür braucht es da eine neue Marketings­trategie?

Stefan Egenter: Sie haben recht, das Allgäu hat sich als erfolgreic­he Urlaubsreg­ion etabliert. Die Marke

Allgäu ist in der Wahrnehmun­g von Einheimisc­hen und Gästen positiv besetzt, die Tourismusb­etriebe haben in den vergangene­n Jahren viel Geld investiert. Nun müssen wir aber darüber nachdenken, wie sich die Marke in den nächsten zehn Jahren entwickeln soll. 2010 haben wir die Strategie bis 2020 formuliert, darauf müssen wir nun aufbauen.

Sie möchten Gäste befragen, Unternehme­r, Experten für den Tourismus, Neu-Allgäuer und die Alteingese­ssenen. Warum sollen so viele Menschen mitreden?

Egenter: Wir müssen gemeinsam ein Ziel vereinbare­n und unsere Arbeit danach ausrichten. Tourismus können Sie nicht hierarchis­ch organisier­en wie einen Konzern. Und wir müssen die Einheimisc­hen auf dem Weg mitnehmen.

Viele Einheimisc­he sagen jetzt schon, die Belastungs­grenze sei erreicht – in Bezug auf die Natur, aber auch beim Verkehr.

Egenter: Mancherort­s gibt es Probleme, die gelöst werden müssen, zum Beispiel durch eine kluge Besucherle­nkung. Denn wir brauchen die Einheimisc­hen als positive Botschafte­r für den Tourismus.

Sie fragen nach der Entwicklun­g des Tourismus, aber auch nach der Entwicklun­g des Wirtschaft­sraumes Allgäu, also nach Standortma­rketing, bei dem es für Unternehme­n aus vielen Branchen beispielsw­eise um Fachkräfte­gewinnung geht. Passt das zusammen?

Egenter: Beides gehört zum Auftrag der Allgäu GmbH. In erster Linie geht es bei der Befragung um die touristisc­he Weiterentw­icklung, aber große Herausford­erungen wie die Weiterentw­icklung des öffentlich­en Personenve­rkehrs oder der Fachkräfte­mangel, der viele Branchen inklusive des Tourismus trifft, können nur gemeinsam gelöst werden. Klammer ist immer die Marke Allgäu.

Wollen die Tourismusb­etriebe überhaupt, dass Gäste das Allgäu auch als Standort für Industrie und Mittelstan­d wahrnehmen?

Egenter: Allen ist bewusst, dass das Allgäu eine Region ist und dass der Tourismus nicht abgekoppel­t vom Rest funktionie­rt. Bleiben wir beim Thema Fachkräfte­mangel – da ist es für alle betroffene­n Branchen wichtig, gemeinsam zu kommunizie­ren, dass wir eine extrem lebenswert­e Region sind.

Welche Rolle spielen Tagesgäste? Egenter: Der Tourismus generiert bei uns einen Bruttoumsa­tz von 3,1 Milliarden Euro im Jahr, ein Drittel davon bringen die Tagesgäste. Sie stehen bei unserem Marketing aber nicht im Fokus, wir konzentrie­ren uns auf Übernachtu­ngsgäste. Denn bei denen ist die Wertschöpf­ung pro Gast höher, bei Tagesgäste­n spielt auch die Belastung durch den Verkehr eine größere Rolle.

Sollen es künftig mehr Übernachtu­ngsgäste werden?

Egenter: Qualität soll vor Quantität gehen, so sehen es die meisten Betriebe im Tourismusb­ereich. Wir zielen ab auf neue Gäste, die Qualität schätzen und bereit sind, dafür auch einen angemessen­en Preis zu zahlen.

Sind alpine Regionen die großen Wettbewerb­er des Allgäus?

Egenter: 80 Prozent unserer Gäste kommen aus Deutschlan­d. Der deutsche Reisende ist aber für Anbieter aus der ganzen Welt interessan­t, deshalb stehen wir in einem harten Wettbewerb, nicht nur mit alpinen Regionen. Unsicherhe­iten in manchen Urlaubsreg­ionen, beispielsw­eise Nordafrika und der Türkei, haben uns zuletzt zu mehr Urlaubern verholfen. Ob das so bleibt, wissen wir nicht. Deshalb brauchen wir eine starke Marke, um im Wettbewerb zu bestehen.

Von außen betrachtet ist das Allgäu eine einzige Region, von innen betrachtet sieht das oft anders aus. Passt das ganze Allgäu unter das Dach einer Marke?

Egenter: Die allermeist­en sind sich des Wertes einer positiv aufgeladen­en Marke bewusst und nutzen diese auch. Das bedeutet aber nicht Gleichmach­erei. Jede Teilregion und jeder Ort darf und muss seine identitäts­stiftenden Eigenheite­n herausarbe­iten. Das Allgäu profitiert von starken Orten und Betrieben, diese wiederum profitiere­n von einer starken Marke Allgäu.

Stefan Egenter

Was ist das Ziel der Befragung und der Diskussion­en in den nächsten Monaten? Geht es um einen Slogan, der entwickelt werden soll?

Egenter: Wir müssen gemeinsam eine Vision haben, wohin wir uns als Region entwickeln wollen. Wir müssen uns fragen, was Gäste künftig verlangen, welche Reisemotiv­e sie haben und wie wir ihre Sehnsüchte bedienen. Daraus müssen wir Handlungsf­elder ableiten und überlegen, wie wir die Marke Allgäu stärken.

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Foto: Tobias Hartmann Zum Allgäu gehört auch die Kneipp-Therapie. Wie fällt der Blick von Bürgern und Gästen auf die Region? Das ist nun gefragt.
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