Eine „Flüchtlingsfirma“feiert 70. Geburtstag
Rückblick Der Bauunternehmung Glass aus Mindelheim geht es gut: Vollbeschäftigung auch im nächsten Jahr
Mindelheim Die Bauunternehmung Glass war und ist auch 70 Jahre nach ihrer Gründung ein Familienbetrieb. Dass die Atmosphäre trotz 750 Mitarbeitern familiär ist, zeigte sich bei der Jahresabschlussfeier mit 460 Beschäftigten in Mindelheim.
Albert und Helen Glass gründeten das Unternehmen 1948. „Wir waren eine Flüchtlingsfirma“, blickt Geschäftsführer Dieter Glass zurück. Seine Eltern kamen aus dem zerbombten Augsburg, die ersten Mitarbeiter stammten aus Ostpreußen, Schlesien, Pommern und Böhmen. 1955 beschäftigte Glass Italiener, Jugoslawen, Türken und Engländer. „Heute sind es unsere polnischen, kroatischen und rumänischen Mitarbeiter, die einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Erfolg der Firma leisten.“
In den Nachkriegsjahren wurde das hergestellt, was am Nötigsten gebraucht wurde: Steine, Decken, später Fertigbeton und die ersten Fertigteile. „Mein Vater baute das erste Transport-Betonwerk im Allgäu“, erinnert sich Glass. Der Weitsicht des Firmengründers war es zu verdanken, dass der Betrieb seinen Sitz auf die grüne Wiese, ins Mindelheimer Gewerbegebiet, verlegte.
Mitte der 1970er Jahre bewies die Inhaberfamilie Mut und ging ins Ausland. „Es war der entscheidende Schritt für das Überleben unserer Firma“, resümiert Dieter Glass. Der Schwerpunkt lag damals auf Fertighäusern aus Sandwich-Betonwänden – ein verlustreiches Geschäft. Berge von unbezahlten Rechnungen und ungedeckten Wechseln lagen in der kaufmännischen Abteilung. Durch den Einsatz aller Mitarbeiter, insbesondere durch Herbert Stahlhut, blieb die Firma trotz der Verluste immer Zahlungsfähig. Für die erste Auslandsbaustelle in Prag wurde alles in Mindelheim produziert und auf abenteuerlichen Wegen durch den Eisernen Vorhang in die Tschechoslowakei transportiert. Bis heute sind Auslandsbaustellen ein wichtiger Eckpfeiler. Es folgten Baustellen in Großbritannien, Venezuela, Luxemburg, Belgien, Libyen, den Niederlanden, Ungarn, Schweden, Italien und Nigeria. Nach dem Fall der Mauer erhielt Glass den ersten Großauftrag in Ostdeutschland. Bei Halle wurde das Möbelhaus Walther errichtet. Mittlerweile gibt es eine Tochtergesellschaft, die Glass Industriebau Leipzig (GIBL) mit einer Niederlassung in Berlin.
Der Betrieb ist im Unterallgäu verwurzelt. So betreibt die Glass Umwelttechnik (GUT) seit 1996 in Bad Wörishofen die einzige private Kläranlage Bayerns. In Ettringen wurde eine Halle für die erste Papiermaschine gebaut. Dass die Familientradition fortgesetzt wird, dafür sorgte Dieter Glass frühzeitig. Während die beiden Söhne Björn und Birger in der Geschäftsführung beziehungsweise für die IT Verantwortung tragen, ist Tochter Gloria als Architektin in der Firma tätig.
Hauptauftraggeber ist heute die Industrie. Wenngleich Aufträge zurückhaltend vergeben und gestreckt werden, so blickt Björn Glass dennoch positiv ins Jahr 2019: „Mit einem Auftragsbestand von 260 Millionen Euro gehen wir von einer Vollbeschäftigung aus.“In Mindelheim würden die Schalungshalle und die Schlosserei vergrößert. Auch sei eine siebenstellige Investition in die EDV notwendig. Besonders freut sich Björn Glass auf die Erweiterung des Fertigteilwerks auf 3000 Quadratmetern und des Bürogebäudes. Mit dem Anbau der Verwaltung entstehen 100 zusätzliche Arbeitsplätze.
„Der Umsatz der Glass-Gruppe wird im zu Ende gehenden Jahr die Marke von 300 Millionen Euro erreichen“, so Björn Glass. Als große Stärke des Unternehmens sieht er die Mobilität und Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter. Viele Firmen wie Mercedes-Benz, Porsche oder Grob schätzten die Flexibilität und die hohe Qualität. Langjährige Mitarbeiter seien die Basis für den Erfolg, so Björn Glass. Deshalb freute er sich, 40 Jubilare auszeichnen zu können.