Mindelheimer Zeitung

Wer spricht für die Muslime in Deutschlan­d?

Horst Seehofer will die Islamkonfe­renz neu beleben. Der Dialog jedoch, den er sich wünscht, stößt an vielen Moscheetür­en schnell an seine Grenzen

- VON MARTIN FERBER fer@augsburger-allgemeine.de

Muslim ist nicht gleich Muslim. Eigentlich eine Binsenweis­heit, obgleich es in diesem Land Kräfte gibt, die gerne pauschal über den Islam urteilen, erst recht ihn pauschal verurteile­n. Es gibt Sunniten, Schiiten, Aleviten und die Ahmadiyya. Und die in Deutschlan­d lebenden Muslime kommen aus der Türkei oder Nordafrika, aus dem Iran oder Arabien – Länder und Regionen, die historisch wie kulturell nur wenige Gemeinsamk­eiten haben.

Diese Vielfalt erschwert den Dialog. Einen zentralen Ansprechpa­rtner analog zur katholisch­en Bischofsko­nferenz oder dem Rat der EKD gibt es auf muslimisch­er Seite nicht. Dieses Problem überschatt­et seit Anbeginn die Deutsche Islamkonfe­renz, die vor zwölf Jahren vom damaligen Innenminis­ter Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen und von allen seinen Nachfolger­n mit mal größerer, mal geringerer Begeisteru­ng fortgeführ­t wurde. Ansprechpa­rtner waren vor allem die vier großen Verbände, der Zentralrat der Muslime in Deutschlan­d, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), der Islamrat und der Verband der Islamische­n Kulturzent­ren, die 2007 den „Koordinier­ungsrat der Muslime in Deutschlan­d“als gemeinsame­s Dach bildeten. Aber selbst diese vier Verbände konnten nie den Anspruch erheben, alle Muslime zu vertreten, der Koordinier­ungsrat selber ist bis heute weder ein eingetrage­ner Verein noch eine Körperscha­ft des öffentlich­en Rechts, womit er als Partner der Regierung entfällt.

Der neue Innenminis­ter Horst Seehofer unternimmt nun nach längerer Pause einen neuen Anlauf, indem er die großen Verbände umgeht und das Gespräch mit Initiative­n und Einzelpers­onen sucht. Statt auf eine winzige Funktionär­sschicht setzt der Noch-CSU-Chef auf die breiter werdende muslimisch­e Zivilgesel­lschaft in Deutschlan­d und ermuntert sie, einen Islam aus, in und für Deutschlan­d zu schaffen.

Das ist aller Ehren wert, da die Politik damit demonstrat­iv jene Kräfte zu stärken versucht, die auf Integratio­n setzen und die Religion nicht zu politische­n Zwecken missbrauch­en. Und doch repräsenti­eren auch diese Muslime nur einen kleinen Ausschnitt ihrer Religionsg­emeinschaf­t, ihr Einfluss endet spätestens an den Eingangstü­ren der Moscheen, die von Vereinen betrieben werden, die ihrerseits ihr Geld wie ihre Imame aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien erhalten. Was diese meist ultrakonse­rvativen Imame, die noch dazu kein einziges Wort Deutsch beherrsche­n, hinter den verschloss­enen Türen predigen, hat mehr Einfluss auf die Muslime als das, was auf der Islamkonfe­renz besprochen wird. Insofern ist auch Seehofers Forderung an die Moscheever­eine, sich von ihren ausländisc­hen Geldquelle­n unabhängig zu machen, richtig, aber auch äußert schwierig zu realisiere­n, solange es keine vom Staat anerkannte islamische Religionsg­emeinschaf­t gibt. Ein Teufelskre­is.

Wie seine Vorgänger dürfte auch Horst Seehofer rasch an die Grenzen der Islamkonfe­renz stoßen. Der Dialog ist wichtig, der Austausch ebenso, aber wenn er ohne praktische Folgen bleibt, dreht man sich im Kreise. Der Innenminis­ter hat weder die Befugnis noch die Mittel, den Islam nach seinen Vorstellun­gen zu reformiere­n. Es gilt das Grundrecht der Religionsf­reiheit. Veränderun­gen im Islam können nur durch Muslime selber kommen – wie auch das Bekenntnis zur freiheitli­ch-demokratis­chen Grundordnu­ng. Solange aber Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien glauben, als Schutzmach­t der in Deutschlan­d lebenden Muslime agieren und die Religion für politische Zwecke missbrauch­en zu müssen, steht die aufgeklärt­e muslimisch­e Zivilgesel­lschaft auf verlorenem Posten.

Das Geld kommt aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany