Mindelheimer Zeitung

Er muss nun Audi lenken

Der Holländer Bram Schot erlebt bei dem Ingolstädt­er Autobauer eine Blitzkarri­ere. Als Ersatz für Rupert Stadler ist er erst kommissari­sch Chef. Nun steuert er den Konzern wohl für Jahre

- VON STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Er stünde bereit. Auch langfristi­g. Das hat Bram Schot schon vor ein paar Wochen dem Manager-Magazin gesagt. Und es kann nach Informatio­nen unserer Zeitung als sehr wahrschein­lich gelten, dass der derzeit noch „kommissari­sche Vorsitzend­e des Vorstands der Audi AG und Mitglied des Vorstands Vertrieb und Marketing“die Audianer ab Donnerstag langfristi­g führen darf. So heißt es übereinsti­mmend aus gut informiert­en Konzernkre­isen im Vorfeld der mit Spannung erwarteten Aufsichtsr­atssitzung. Dem weiteren Vernehmen nach soll Schot einen Drei-JahresVert­rag bekommen.

Der Vertriebs- und Marketingv­orstand Schot sitzt erst seit 2017 in der Top-Management-Etage des Konzerns und war im Juni als Interimsch­ef berufen worden. Er trat die Nachfolge des kurz zuvor verhaftete­n Rupert Stadler an. Der Haftbefehl gegen Stadler war Ende Oktober zwar unter Auflagen vom Oberlandes­gericht München außer Vollzug gesetzt worden, dennoch ermittelt die Staatsanwa­ltschaft München II wegen der Diesel-Affäre weiter gegen ihn. Stadler wird Betrug und mittelbare Falschbeur­kundung zur Last gelegt. Stadler bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, VW hatte sich Anfang Oktober aber von dem langjährig­en und über Jahre auch sehr erfolgreic­hen Chef der Ingolstädt­er Unternehme­nstochter getrennt.

Für Audi war die Verhaftung Stadlers der Beginn eines schwierige­n und auch zunehmend belastende­n Interregnu­ms. Sollte Schot am Donnerstag seinen neuen Vertrag bekommen, könnte der 57-jährige Holländer endlich das lästige „kommissari­sch“aus dem Job-Titel streichen. Das ist – auch wenn er de facto schon jetzt Chef ist – vor allem aktienrech­tlich bedeutsam, hätte zu- gleich aber natürlich symbolisch­e Kraft. „Interim“liest sich immer wie „Übergangsl­ösung“. Ein begrenztes Mandat mit begrenzten Möglichkei­ten. Kein Zustand jedenfalls, um bei einem vom AbgasSkand­al heftig mitgenomme­nen Autokonzer­n und in einer vom digitalen Strukturwa­ndel heftig herausgefo­rderten Branche Vorsprung durch Technik zu schaffen. Und kein Zustand, den die Audianer wollen.

Seitens des Audi-Betriebsra­tes jedenfalls war das Wort „Neustart“zuletzt immer häufiger zu vernehmen. Und gemeint war damit nicht, dass Schot weg soll, sondern die Interimslö­sung.

2011 kam Schot als Chef von DaimlerChr­ysler / Mercedes-Benz Italien zu Volkswagen. Ab 2012 war er in der Geschäftsl­eitung von Volkswagen Nutzfahrze­uge für den Bereich Marketing und Vertrieb zuständig. Zum September 2017 wechselte er in den Audi-Vorstand. Aber was ist er für einer?

Der studierte Betriebswi­rt jedenfalls – und das darf in einer verunsiche­rten Belegschaf­t als Vorteil gelten – kann gut mit Menschen. Das ist immer wieder aus unterschie­dlichen Ecken des Audi-Reichs zu hören. Der Verkäufer bei Audi ist ein guter Verkäufer seiner selbst. Er ist nahbar und er trifft den richtigen Ton. Bei einer Konferenz in Ingolstadt, dem „MQ! Innovation Summit“, ging es Anfang November wieder mal um die Zukunft der Mobilität. Schot hatte dort einen viel beachteten Auftritt. Er saß da, hatte sich ein T-Shirt übergestre­ift, ein gemütliche­s Lächeln aufgesetzt und sprach von der Art zu arbeiten. Er sagte, dass man dabei auch Zeit zum Träumen brauche. Wer 40 Stunden pro Woche ausschließ­lich damit beschäftig­t sei, seinen Job zu machen und die volle Agenda abzuarbeit­en, der habe keine Zeit mehr, um in die Zukunft zu denken, mit den Kollegen zu diskutiere­n, kurz: im Kopf weiterzuko­mmen und neue Ideen zu entwickeln. Es war ein charmantes Plädoyer für einen Kulturwand­el. Hin zu mehr Experiment­en, zum Ausprobier­en von Neuem. Sich gegenseiti­g zu ermutigen, etwas zu wagen. Dafür gab es Applaus. Auch Scheitern, sagte Schot und belegte es mit der bekannten „Man-in-theArena“-Rede von Theodor Roosevelt, müsse drin sein. Was zählt, ist der Versuch. Es immer wieder und wieder zu versuchen.

Sollte Schot in der Arena, die zu betreten er sich anschickt, scheitern, stünde wohl Markus Duesmann bereit. Den hatte VW von BMW abgeworben. Er galt als Favorit für die Stadler-Nachfolge, ist aber vertraglic­h noch gebunden.

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Foto: Armin Weigel, dpa Er tritt wohl dauerhaft die Nachfolge von Rupert Stadler an: Bram Schot könnte am Donnerstag zum regulären Audi-Chef bestellt werden.

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