Schaut auf diese Signale
Geschichte Die erste Verkehrsampel ging vor 150 Jahren in London in Betrieb. Doch schon nach wenigen Wochen geschah etwas, das ihren Erfinder John Peake Knight schwer enttäuschte
Diese vier armen Polizisten, wie sie da standen und winkten und lotsten, als wären sie Dirigenten eines Orchesters. Um sie herum herrschte das pure Verkehrschaos. Pferdekutschen drängten sich durch die Straßen, und dazwischen Fußgänger, die in Richtung Westminster-Palast eilten.
Die Polizisten gaben ihr Bestes, und doch wurden damals in kürzester Zeit an diesem Ort zwei Abgeordnete auf dem Weg zur Arbeit im Parlament schwer verletzt, ein Polizist starb. Das war im Jahr 1868 und die britische Hauptstadt damals schon eine Metropole mit mehr als drei Millionen Einwohnern. Weil die Parlamentarier ihren Arbeitsplatz im Palace of Westminster oft nur unter Lebensgefahr erreichten, machte der Ingenieur John Peake Knight einen Vorschlag, den er sogleich selbst Realität werden ließ: Er erfand die Ampel. Am 9. Dezember 1868 stellte der Chef von Scotland Yard das verkehrsregelnde Gebilde am Parliament Square nur wenige Meter entfernt vom Glockenturm Big Ben auf – fast genau an jener Stelle, wo heute Winston Churchill in Form einer Statue selbstzufrieden auf die auch jetzt noch ständig verstopfte Kreuzung blickt. Es handelte sich um die erste Ampel der Welt – gusseisern, gasbetrieben und acht Meter hoch.
Die Farben Rot und Grün in der Gaslaterne erinnerten an die Signale aus der Schifffahrt und dem Schienenverkehr. Die Lichter sollten in der Nacht für Orientierung sorgen. Grün bedeutete „Vorsicht“, Rot hieß „Stopp“. Tagsüber ahmten zwei angebrachte mechanische Flügel die Bewegungen eines Polizisten nach, der üblicherweise Verkehrsteilnehmern mit seinen Armen Zeichen gab. Am Fuß der Säule stand ein Beamter und bediente die Anlage. Mit der Einführung der Ampel verteilte die Polizei tausende Flug- blätter, die das System erklärten. Die Reaktionen der Londoner waren gemischt. Während etwa in der Zeitung die Ampel gelobt wurde, verglich das Magazin
den Verkehrspfosten mit einem angsteinflößenden Gespenst.
Punch Illustrated Times
Tatsächlich funktionierte die Ampel nicht wie gewünscht. Viele Fahrer verstanden die Zeichen nicht oder ignorierten sie schlichtweg. Hinzu kam, dass die Technologie oft versagte, Gasexplosionen waren die Folge. Und dann die Katastrophe. Ein Polizist wollte eines Tages das Gas abdrehen, da explodierte das Ding, verbrannte dem Beamten das Gesicht. Einige Quellen schreiben sogar, er wurde getötet. Sofort schaltete Scotland Yard das System ab. Es war erst Januar des Jahres 1869 – und die erste Ampel der Welt so gut wie am Ende, ihr Erfinder zutiefst enttäuscht.
Es sollte bis 1914 dauern, bis dann die erste elektrische Ampel in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio in Betrieb ging. Nachdem New York die Erfindung übernommen hatte, startete ihr Siegeszug um die Welt. Am Potsdamer Platz in Berlin wurde 1924 ein fünfeckiger und acht Meter hoher Ampelturm errichtet, in dessen Kabine ein Polizist saß und das Signal per Hand steuerte. Der Turm gilt als erste Ampel Deutschlands. Die Briten brauchten etwas länger: Erst im Jahr 1926 wurde in London eine Reihe von elektrischen Ampeln entlang der bekannten Straße Piccadilly installiert.