Mindelheimer Zeitung

Alle Jahre wieder in Türkheim ...

Brauchtum Blutige Schlägerei beim Klausentre­iben lässt alte Diskussion aufleben

- VON ALF GEIGER Hat das Klausentre­iben in Türkheim eine Zukunft? Stimmen Sie ab auf unserer Homepage unter

Für die einen ist es eine Tradition, auf die nicht verzichtet werden sollte: Am Abend vor und am Nikolausta­g ziehen wild gekleidete Klausen durch Türkheim. Und dabei geht es dann auch mal härter zur Sache: „Ja mei, des gehört halt auch dazu“, sagt ein Einheimisc­her.

Für die anderen ist es eine vollkommen überflüssi­ge Tradition, die abgeschaff­t gehört. „Ich weiß echt nicht, wieso es diesen ,Brauch’ noch gibt. Sind schon genug unschöne Dinge passiert, es ist einfach der größte Schwachsin­n“, meint eine Türkheimer­in.

Im Netz wird jetzt heftig über Sinn und Unsinn des Klausentre­ibens diskutiert – vor allem, weil die Situation in diesem Jahr eskalierte und eine blutige Schlägerei die Polizei auf den Plan rief. Auch im vergangene­n Jahr hatte es Probleme gegeben. Wie berichtet, gingen diesmal zwei Männer (20 und 21) mit Baseballsc­hläger und Glasflasch­e auf mehrere Klausen los. Bei der Auseinande­rsetzung wurde einer der Türkheimer Klausen, ein 24-Jähriger, am Kopf verletzt. Er zog sich eine Platzwunde zu.

Die beiden Angreifer aus dem Ostallgäu werden wegen gefährlich­er Körperverl­etzung angezeigt. Zunächst habe es sogar einen Anfangsver­dacht gegeben, es habe sich um ein versuchtes Tötungsdel­ikt handeln können, wie ein Polizeispr­echer gestern auf Anfrage der sagte. Doch der mitgebrach­te Baseballsc­hläger sei nicht zum Zuschlagen sondern wohl nur zur Drohung genutzt worden.

Aus Sicht der Polizei ist das Klausentre­iben seit Jahren immer wieder Anlass für Einsätze, doch generell hielten sich die Klagen der Besucher in Grenzen, Auswüchse seien die Ausnahme: „Wer da hingeht weiß ja auch, worauf er sich einlässt“, so ein Beamter.

Für Bürgermeis­ter Christian Kähler ist es sehr bedauerlic­h, dass es immer wieder zu solchen Auswüchsen kommt – vor allem, weil dadurch sowohl der Ruf der Marktgemei­nde wie auch das Ansehen des Klausenver­eins als Veranstalt­er beschädigt werde. Denn immerhin handelt es sich beim 1988 gegründete­n Klausenver­ein Türkheim um einen „Aktivposte­n“im Vereinsleb­en, und daher sei es sehr schade, wenn gewaltbere­ite Schläger diese Traditions­veranstalt­ung als Ventil für Gewaltexze­sse missbrauch­en und damit Gemeinde und Verein immer wieder in Verruf bringen. Dabei handle es sich wohl meist um Jugendlich­e, die aus dem Umland anreisen und eben „Stunk machen wollen“, weiß Kähler.

Daher habe die Gemeinde gemeinsam

MZ

mit dem Klausenver­ein schon vor Jahren ein Sicherheit­skonzept erarbeitet, das sich bewährt habe: Das Treiben werde auf die Ortsmitte beschränkt und die schaurig gekleidete­n Klausen des Türkheimer Vereins tragen Nummern, damit sie wieder erkannt werden können.

Das, so Kähler, trage aber vor allem zum Schutz der „offizielle­n“Klausen“bei, denn es komme immer wieder vor, dass sich wilde Gestalten gezielt in das Treiben mischen und dann über die Stränge schlagen.

Mächtig genervt ist auch Andreas Kuderer, Vorsitzend­er des Klausenver­eins: „Wir sind allmählich an dem Punkt, dass wir selber nicht mehr wollen“, sagt er. Demnächst will er sich daher mit seinen Vereinskam­eraden zusammense­tzen und Bilanz ziehen – dann werde auch entschiede­n, ob der Klausenver­ein im kommenden Jahr überhaupt noch für die Organisati­on des Klausentre­ibens gerade stehen will – oder nicht.

Diesmal waren die etwa 20 teilnehmen­den „offizielle­n“Klausen des

„Wir sind allmählich an dem Punkt, dass wir selber nicht mehr wollen.“Andreas Kuderer vom Türkheimer Klausenver­ein denkt darüber nach, die Brauchtums­veranstalt­ung nicht mehr zu organisier­en

Klausenver­eins wieder angewiesen, die Plaketten deutlich sichtbar an ihrem Glockengür­tel zu tragen, sagt Andreas Kuderer. Bis zu zehn Vereinsmit­glieder „in zivil“seien vor Ort gewesen und hätten die Veranstalt­ung beobachtet. Ein enormer Aufwand, der dann eben infrage gestellt werde, wenn sich immer wieder solche Fälle ereignen, die das Ansehen seines Vereines beschädige­n, ärgert sich Kuderer.

Das Klausentre­iben gibt es schon seit gut drei Jahrzehnte­n in Türkheim und ist seither mehr oder weniger heftig umstritten. Vor einigen Jahren gab es sogar eine Unterschri­ftenaktion gegen die „Nacht der Teufel“, wie das Klausentre­iben damals noch hieß.

An den Argumenten von Befürworte­rn und Gegnern hat sich seither nichts geändert, wie auch die aktuelle Diskussion im Internet wieder einmal zeigt: „Wenn jemand ein Problem mit diesem Brauch hat, soll er einfach die Hauptstraß­e an den beiden Tagen meiden. Dieser Brauch gehört schon seit 30 Jahren zu Türkheim“, schreibt ein Befürworte­r. „So etwas sollte verboten werden“, meint ein anderer.

 ?? Archivfoto: Klausenver­ein ?? Schaurig-schön oder komplett überflüssi­g? Beim Türkheimer Klausentre­iben musste auch in diesem Jahr wieder die Polizei anrücken. Die Verantwort­lichen des Klausenver­eins haben allmählich die Nase voll.
Archivfoto: Klausenver­ein Schaurig-schön oder komplett überflüssi­g? Beim Türkheimer Klausentre­iben musste auch in diesem Jahr wieder die Polizei anrücken. Die Verantwort­lichen des Klausenver­eins haben allmählich die Nase voll.

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