Pariser Karotten-schick
Da ist sie wieder, die Zeit der Weihnachtsfeiern. Eigentlich besuche ich die ganz gern, denn sie sind kleine Inseln im Vorweihnachtsstress. Man trifft nette Menschen, hört besinnliche Geschichten und kann sich kulinarisch verwöhnen lassen. Doch so sehr ich mich immer auf das Abendessen gefreut habe, so traurig stimmt mich mittlerweile der schleichende Verfall unserer Esskultur. Dabei möchte ich mich gar nicht mal über die Auswahl an Speisen beklagen, denn die ist bei den meisten Feiern durchaus gegeben. Traurig ist vielmehr, dass es heutzutage eher die Ausnahme ist, frisch zubereitetes Essen serviert zu bekommen: Gemüse aus der Konserve, Soße mit reichlich Geschmacksverstärkern, Spätzle, die mehr nach Konservierungsstoffen als nach Ei schmecken. Und das in Bayrischschwaben, wo Spätzle doch das kulinarische Aushängeschild sind! Ich habe mir also vor dieser Weihnachtsfeier keine großen Illusionen gemacht und meine Erwartungen entsprechend zurückgeschraubt. Als ich dann am Buffet stand, sah ich orangefarbene Bällchen, die sich als Karotten entpuppten. Während meine Tischnachbarin und ich noch diskutierten, ob die geometrische Vollendung von Karotten unbedingt notwendig sei, stellte ich fest, dass mich die Möhrenkugeln geschmacklich an die längst vergessenen und schnell verbannten Babynahrungsgläser aus meiner Zeit als junge Mutter erinnerten. Mal Klartext gefragt: Ist es denn so schwer, ehrliches Essen zuzubereiten? Es ist doch eigentlich ganz simpel: Wenn der Geschmack gut ist, braucht man keine extravagante Form. Kein Mensch erfreut sich an runden Karotten, die nach nichts schmecken. Als ich an dem Abend zuhause war, erfuhr ich im Internet, dass die kugeligen Möhren „Pariser Karotten“heißen und nicht zuletzt zu Konservierungszwecken so formvollendet gezüchtet werden. Die sollen mal schön in Paris bleiben. Mir sind die schwäbischen mit einem Klecks Butter und frischen Spätzle tausend Mal lieber.