Mindelheimer Zeitung

Die Spur führt nach Süddeutsch­land

Der mutmaßlich­e islamistis­che Terrorist saß schon mehrmals im Gefängnis – auch in Baden-Württember­g

- VON BIRGIT HOLZER UND NILS KÖHLER

Konstanz Für Chérif Chekatt ist Flucht nichts Ungewöhnli­ches. Der Mann mit französisc­hem Pass und nordafrika­nischen Wurzeln, der nach dem mutmaßlich­en Terroransc­hlag in Straßburg fliehen konnte, war schon einmal der Polizei entkommen: Das war in Deutschlan­d vor fast drei Jahren – in Engen im Kreis Konstanz (Baden-Württember­g). Am frühen Morgen des 15. Januar 2016 hatte ihn eine Streife der Bundespoli­zei in einem Zug zwischen Singen und Engen aufgegriff­en. Die Beschreibu­ng habe zu einem Einbrecher gepasst, der wenige Stunden zuvor von der Überwachun­gskamera einer Apotheke gefilmt worden war. Mit einem Schraubenz­ieher hatte er dort nachts um 2.24 Uhr die DoppelGlas­flügeltür aufgehebel­t und 315 Euro aus der Kasse gestohlen, wie das spätere Gerichtsur­teil vermerkt. Als Alarm ausgelöst wurde, flüchtete der damals 26-Jährige und stieg später in den Zug ein. Bei seiner Festnahme fanden die Beamten auch Einbruchsw­erkzeug. Als sie aber den Bahnhof erreichten, rannte er davon. Mit einem Großaufgeb­ot von 15 Streifen und einem Hubschraub­er durchkämmt­en Bundesund Landespoli­zei die Gegend rund um Engen.

Chérif Chekatt kam zunächst in Konstanz in Untersuchu­ngshaft, bis ihm knapp sechs Monate später der Prozess gemacht wurde. Die Strafe fiel mit zwei Jahren und drei Monaten auf den ersten Blick recht hoch aus. Allerdings blickte das Amtsgerich­t Singen damals auf die üppige Liste an Vorstrafen des Angeklagte­n. So hatte er 2008 bereits in Frankreich wegen mehrerer Einbrüche eine zweijährig­e Haftstrafe erhalten. In Basel verurteilt­e ihn ein Schweizer Gericht 2013 ebenfalls wegen mehrerer Einbrüche zu einem Jahr und sechs Monaten. Und nun Engen: Auch dieser Tat war eine andere vorausgega­ngen, die bei der Gelegenhei­t aufgeklärt wurde. So war Chekatt im Februar 2012 in die Räume einer Zahnarztpr­axis in Mainz eingebroch­en. Dabei nahm er einen Tresor mit, der an der Wand befestigt war, und brach zwei Geldkasset­ten auf, deren Inhalt er raubte: 1467 Euro Bares, Briefmarke­n sowie Zahngold im Wert von 6572 Euro. Ein Taschentuc­h, das seine DNA trug, überführte ihn. Das Einzige, was ihn entlastete, war sein Geständnis. In Untersuchu­ngshaft saß er in Konstanz, nach der Verurteilu­ng kam er dann in Freiburg in Haft. Einen Teil der Strafe saß er ab, dann wurde er nach Frankreich abgeschobe­n. Einen deutschen Wohnsitz außerhalb der Gefängniss­e in Konstanz und Freiburg habe der Mann nie gehabt.

1989 in Straßburg geboren, wuchs Chekatt zusammen mit sechs Geschwiste­rn in seinem Elternhaus auf. Er ging bis zum 16. Lebensjahr in die Schule und machte einen Hauptschul­abschluss. Chekatt soll nach der Schulausbi­ldung bei der dortigen Gemeinde beschäftig­t und seit 2011 arbeitslos gewesen sein. Vier Jahre hatte er bereits in Gefängniss­en verbracht. Die Strafe von Engen verbüßte er teilweise in der Haftanstal­t in Freiburg, bis er nach Frankreich abgeschobe­n wurde. Von ihm gehe die konkrete Gefahr neuer Störungen der öffentlich­en Sicherheit aus. Ihm wird eine rücksichts­lose Persönlich­keit attestiert.

Radikalisi­ert hatte sich Chekatt bereits bei einem Gefängnisa­ufenthalt 2015. In Frankreich wurde er in die „S“-Datei für „Staatssich­erheit“aufgenomme­n, in der die französisc­hen Sicherheit­sbehörden mehr als 20000 mögliche Gefährder führen.

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Foto: Sebastian Gollnow,dpa Polizisten kontrollie­ren an der Grenze zu Baden-Württember­g Autos. Anti-TerrorSpez­ialisten haben die Ermittlung­en übernommen.

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