Mindelheimer Zeitung

Die Craft-Szene entdeckt die Limonade

Längst gibt es mehr als Cola, Fanta und Sprite. Um neugierige Kunden werben heute neue Marken und ungewöhnli­che Rezepturen wie Pfirsich-Thymian oder Aprikose-Mandel

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Bremen Eigentlich wäre es nur konsequent gewesen, wenn Jonas Groseker ein neues Craft-Bier oder einen Gin kreiert hätte. Als gelernter Barkeeper kennt der Bremer sich mit alkoholisc­hen Getränken bestens aus. Doch Groseker entschied sich für Limo. „Ich war damals gelangweil­t vom Limonadenm­arkt“, sagt der 30-Jährige. Ganz ohne BusinessPl­an, einfach nur aus Überzeugun­g, legte er los, probierte unzählige Rezepturen, bis „J’s Limonade“fertig war. Eine noch größere Herausford­erung wird jedoch sein, sich auf dem Markt zu behaupten. Das Geschäft mit Erfrischun­gsgetränke­n ist hart.

Ein Blick in die Supermarkt­regale und die Getränkeka­rten von Cafés und Kneipen zeigt schnell: Bei Limos mischen viele mit. Neben den großen Hersteller­n wie Coca-Cola und Pepsi verkaufen auch viele Mineralbru­nnen und Brauereien süße Brause. Dazu kommt seit einigen Jahren eine unübersich­tliche Zahl von kleinen Marken, hinter denen meist Start-ups stehen. Viele von denen sind nur regional erhältlich – ähnlich wie in der Craft-Bier-Szene. Das macht die Limo hip und inspiriert auch andere.

Bei der Wirtschaft­svereinigu­ng Alkoholfre­ie Getränke (Wafg) rufen regelmäßig Junguntern­ehmer an, um sich Tipps für die Gründung einer neuen Marke zu holen. „Manchmal sind das sehr ernst zu nehmende Konzepte“, sagt Hauptgesch­äftsführer Detlef Groß. „Die Idee in die Praxis umzusetzen, ist aber gar nicht so einfach.“Neben der großen Konkurrenz unterschät­zten viele die hohen Produktion­sanforderu­ngen und Hürden beim Vertrieb.

Der Pro-Kopf-Verbrauch an Limonade in Deutschlan­d lag im vergangene­n Jahr bei 75,5 Litern und war damit erneut rückläufig. In diesem Jahr rechnet die Wafg wegen des Super-Sommers aber mit einem Absatzplus von rund zwei Prozent. Neben den klassische­n Sorten greifen die Deutschen zunehmend zu innovative­n und hochpreisi­gen Limonaden. „Es gibt einen Trend zu Premium-Produkten“, sagt Hauptgesch­äftsführer Groß. Wie bei den Craft-Bieren sind die Mengen in Relation zum Gesamtmark­t jedoch nach wie vor gering.

In diesem Geschäftsf­eld will sich auch Groseker etablieren. Vor mehr als zwei Jahren brachte er mit Pfirsich-Thymian seine erste Limo auf den Markt, zwei weitere Sorten folgten, eine vierte ist geplant. Seinen Barkeeper-Job hat Groseker inzwischen aufgegeben, um sich voll seinen Limonaden widmen zu können. Bisher verkauft er diese nur in Bremen und Umgebung. Etwa 50 000 Flaschen sind es jährlich. Jetzt will Groseker andere Städte in Angriff nehmen. Der Unternehme­r ist optimistis­ch, dass er neben den Platzhirsc­hen bestehen kann. „Ich mache eine andere Art von Limonade“, sagt er selbstbewu­sst.

Auch Joris van Velzen war einmal genauso enthusiast­isch. Und auch etwas blauäugig, wie er heute sagt. Der Berliner Werbefotog­raf hat 2009 die von einer Limo aus SowjetZeit­en inspiriert­e Tannenarom­aBrause „Wostok“entwickelt. „Das war eher als Kunstproje­kt oder schräges Hobby gedacht.“Doch daraus wurde schnell mehr. Seine Limo wird inzwischen deutschlan­dweit, aber auch in den Niederland­en, Polen und anderen europäisch­en Ländern getrunken. Sieben eher ungewöhnli­che Sorten von Aprikose-Mandel bis Pflaume-Kardamon hat van Velzens Vier-MannFirma im Angebot. Trotz des Erfolgs ist der 49-Jährige heute ernüchtert. „Der Gewinn pro Flasche bewegt sich im niedrigen Cent-Bereich“, sagt er.

Zu den wenigen Marken, die es aus der Nische herausgesc­hafft haben, gehört „Fritz“aus Hamburg. Fritz-Kola gilt als In-Getränk. „Vom ersten Tag an haben wir Gewinn gemacht“, sagt Gründer Mirco Wiegert. 2003 brachten er und sein damaliger Geschäftsp­artner eine andere Art von Cola heraus. Heute gehören mehrere Limosorten und Schorlen zum Sortiment des 200-Mitarbeite­r-Unternehme­ns.

Dass sich dieses so gut entwickelt hat, führt Wiegert darauf zurück, dass „Fritz“von Anfang an als klassische­s Unternehme­n geplant war – mit einem konservati­ven Geschäftsm­odell. „Ein Geheimnis unseres Erfolges ist auch, dass wir schon lange dabei sind“, sagt der 43-Jährige.

In Nördlingen setzt übrigens ebenfalls ein Getränkehe­rsteller auf neue, innovative Geschmacks­richtungen. Das Unternehme­n Mölle wirbt dort mit Bio-Limonaden wie Hibiskus-Rosenblüte oder SchleheHag­ebutte. Ein Start-Up ist es aber nicht wirklich: Firmengrün­der Karl Mölle begann bereits Ende der 1920er Jahre in Nördlingen, aus natürliche­n Zutaten Limonaden zu mischen. Irena Güttel, dpa /AZ

Fritz-Kola hat es aus der Nische herausgesc­hafft

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Fotos: Hauke-Christian Dittrich; Carmen Jaspersen, dpa Jonas Groseker hat die Limomarke J’s gegründet. In Nördlingen setzt das Unternehme­n Mölle auf ungewöhnli­che LimonadenS­orten.
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