Mindelheimer Zeitung

Das Spektakel nach der Apokalypse

Die Pixel-Künstler packen unter der Leitung von „Herr der Ringe“-Chef Peter Jackson den Zauberkast­en aus. In dem überborden­den Feldzug fühlt man sich allerdings wie im All-you-can-eat-Restaurant

- VON MARTIN SCHWICKERT

Man wundert sich ja über nichts mehr im Kino. Dass man, ausgerüste­t mit den entspreche­nden digitalen Superkräft­en, eine ganze Stadt aus dem Erdreich reißen und in der Luft schweben lassen kann, das hat man ja schon in „Avengers – Age of Ultron“gesehen. Da ist es bis zum Szenario von „Mortal Engines – Krieg der Städte“nur ein kleiner Schritt. Hietr wird halb London wie eine Torte übereinand­ergestapel­t, St. Paul’s Cathedral als Garnierung obendrauf gesetzt und das Ganze auf einen riesigen Panzer gepackt, der mit seinen Ketten drei Meter hohe Spuren ins europäisch­e Festland gräbt. Allerdings: So steht es ja eben im ersten Teils der gleichnami­gen Roman-Reihe von Science-FictionAut­or Philip Reeves, der diesem Film ja auch zugrunde liegt.

Man schreibt ungefähr das Jahr 1000 nach der Apokalypse. Die Menschheit hat sich in einem 60-Minuten-Krieg nahezu selbst ausgelösch­t. Die Verblieben­en üben sich im darwinisti­schen Überlebens­kampf und haben ihre Städte zu rollenden Festungen ausgebaut. Als der Film beginnt, macht London gerade Jagd auf ein kleines SchürferSt­ädtchen. „Bereit machen zum Verschling­en“, lautet der Befehl von der Brücke und die harpuniert­e Ortschaft wird samt Bewohnern in den sich öffnenden Bauch der mobilen Metropole hineingezo­gen. Das ist dann auch angemessen bildgewalt­ig für eine Produktion von Peter Jackson und seinen neuseeländ­ischen Pixel-Künstler, die mit „Herr der Ringe“Pionierges­chichte geschriebe­n und mit der „Hobbit“-Trilogie der digitalen Großmannss­ucht gefrönt haben.

Unter den verschlung­enen Beutemensc­hen ist auch die junge Hester Shaw (Hera Hilmar), die nur ein Ziel hat: Sie möchte den einflussre­ichen Ingenieur Thaddeus Valentine (Hugo Weaving) umbringen, der seinerseit­s ihre Mutter ermordet hat. Das Attentat kann nur teilweise gelingen, weil der übereifrig­e Geschichts­forscher Tom Natsworthy (Robert Sheehan) dazwischen­geht und so ein Film ja nicht ohne veritablen Bösewicht weitergehe­n kann. Schon bald stellt sich heraus, dass der Schurke aus den Vernichtun­gswaffen des letzten Jahrtausen­ds an einer riesigen Quantenkan­one baut. Natürlich ist es an dem jungen, ungleichen Paar, die Weltenrett­ung zu übernehmen. Ähnlich wie das alles verschling­ende Stadtmonst­er im Film plündert sich Regisseur Christian Rivers mit Anleihen an „Brasil“, „Terminator“oder „Tribute von Panem“durch die einschlägi­ge Genregesch­ichte. Am Schluss, wenn die Rebellenar­mee in ihre Flugzeuge steigt, um den monströsen Aggressor zu bekämpfen, schaltet man dann ganz auf „Star Wars“-Modus um. Nichts gegen Zitate, aber wer sich aus Bequemlich­keit im Genrefundu­s bedient, sollte wenigstens ein bisschen Eigenleist­ung in die Figurenent­wicklung investiere­n.

Hier aber bleiben die Charaktere so farblos, dass man sich für die nach der Romanreihe anvisierte­n drei Fortsetzun­gen Namensschi­lder mit einem kleinen Persönlich­keitsprofi­l wünschen würde. Ähnlich wie in den „Hobbit“-Filmen ist auch hier alle kreative Energie in die digitale Bilderflut geflossen. Tatsächlic­h sehen das rollende London, das verwüstete Brachland, der Luftstützp­unkt der Rebellen über den Wolken und das asiatische Metropolis fantastisc­h aus. Jedoch wird ein gigantisch­es Setting neben dem anderen aufgebaut, ohne dass in der abgehetzte Gefechtsdr­amaturgie die Zeit bleibt, die Räume zu erkunden. Die ästhetisch­e Überfracht­ung führt dazu, dass man sich wie bei einem All-you-can-eat-Restaurant fühlt: Man isst zu viel isst, ohne genießen zu können.

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Foto: Universal Pict. & MRC Die City of London verwandelt sich im „Krieg der Städte“zu einer gigantisch­en Kampfmasch­ine.
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