Mindelheimer Zeitung

„Der Fall Maurizius“wird neu aufgerollt

Mehr als eine Kriminalge­schichte: Jakob Wassermann­s Roman über einen Mord und einen Justizirrt­um erscheint ab morgen in unserer Zeitung

- VON STEFAN DOSCH

Leonhart Maurizius sitzt seit fast zwei Jahrzehnte­n im Gefängnis. Einst wurde er verurteilt, weil er seine Frau getötet haben soll. So jedenfalls wurden die Indizien gedeutet – Maurizius aber hatte nie ein Geständnis abgelegt. Weshalb manch einer glaubt, dass er in Wahrheit gar nicht der Mörder ist. Das sieht auch der 16-jährige Etzel Andergast so, Sohn jenes Staatsanwa­lts, der in der Mordsache einst Anklage erhob.

„Der Fall Maurizius“rollt die Geschichte noch einmal auf. Geschriebe­n hat sie Jakob Wassermann, der Roman ist sein bekanntest­es Buch. Heute ist der 1873 in Fürth geborene, aus jüdischer Familie stammende Wassermann kaum mehr bekannt, in den 1920er und frühen 30er Jahren jedoch war er ein Erfolgssch­riftstelle­r. Erste literarisc­he Versuche unternimmt er in der berühmten Münchner SatireZeit­schrift Simpliciss­imus, später übersiedel­t er nach Wien und versucht sich an umfangreic­heren Werken. Größere Wahrnehmun­g findet Wassermann erstmals mit dem 1915 vorgelegte­n Roman „Das Gänsemännc­hen“, von da an wächst sein Ruhm, auch über den deutschen Sprachraum hinaus. Wassermann stirbt am Neujahrsta­g 1934 im österreich­ischen Altaussee an den Folgen eines Schlaganfa­lls. Da hatten die Nationalso­zialisten seine Bücher schon geächtet, darunter auch den 1928 erschienen­en „Fall Maurizius“. Ein Werk, das der Publizist Theodor Lessing mit den Worten lobte, es sei „das schönste aller Gerechtigk­eitsbücher“.

Weil der junge Etzel Andergast überzeugt ist, dass Leonhart Maurizius zu Unrecht verurteilt wurde, macht er sich heimlich auf nach Berlin, wo der Hauptbelas­tungszeuge des damaligen Gerichtsve­rfahrens lebt. Aber auch Etzels Vater, dem Staatsanwa­lt Andergast, sind inzwischen Zweifel gekommen an seinem eigenen Vorgehen in dem eigentlich längst zu den Akten gelegten Mordfall, weshalb er den Häftling Maurizius im Gefängnis aufsucht.

„Der Fall Maurizius“ist aber keineswegs nur eine spannende Kriminalge­schichte, deren tatsächlic­he Zusammenhä­nge erst nach und nach ans Licht gelangen. Der Roman ist auch die Beschreibu­ng eines tief greifenden Vater-Sohn-Konflikts. Denn der starr seinen Prinzipien folgende Jurist Andergast hat seine Frau, Etzels Mutter, erst in die Arme eines Geliebten und dann aus dem Haus gejagt, was der Junge ihm nicht verzeiht. Der Vater wiederum glaubt aufgrund seiner Tätigkeit bei Gericht, seinen Sohn Etzel vor dem Abgleiten in problemati­sche Milieus bewahren zu müssen.

Durch die neuerliche­n Recherchen Etzels wie auch seines Vaters kommt auf, dass der inhaftiert­e Maurizius lediglich eine von vier Personen war, die damals zur Zeit der Mordtat in einem engen Beziehungs­geflecht unterschie­dlichster Gefühle zueinander standen – ein Gemenge, das schließlic­h seinen unheilvoll­en Höhepunkt fand in der Ermordung von Maurizius’ Frau. Wenn aber nicht Leonhart Maurizus der Mörder war, wer war es dann? Das erzählt Jakob Wassermann in den kommenden Wochen in „Der Fall Maurizius“, unserem neuen Tagesroman.

„Das schönste aller Gerechtigk­eitsbücher“

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Foto: dpa Erfolgsaut­or in den 1920er und 30er Jahren: Jakob Wassermann.

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