Das große Räumen hat begonnen
Die Mindelheimer Maria-ward-schwestern bereiten sich mit einem großen Flohmarkt schon auf ihren Auszug im kommenden Jahr vor. Inzwischen steht auch fest, wo es sie hin verschlägt
Mindelheim In den langen Fluren des Maria-ward-klosters steht Biertisch an Biertisch. Darauf stapeln sich Unmengen von Tellern und Tassen, Kaffeekannen und Zuckerdosen, Schälchen, Kerzenständer, Vasen, Wachsbilder, Tischdecken, Ostereier und Weihnachtsschmuck, CDS, Schallplatten und Handarbeitsutensilien von der Stricknadel bis zum feinen Garn. Darunter reihen sich Drucker, Scanner, Schreibmaschinen und Kisten voller Bücher aneinander. An den Wänden hängen Bilder, leere Rahmen und mehrere Uhren, es gibt Körbe und etliche Koffer. „Das muss alles raus“, erklärt Schwester Esther, die Oberin der noch sieben verbliebenen Maria-ward-schwestern, mit einer ausladenden Handbewegung.
Zwar werden sie und ihre Mitschwestern Mindelheim wie berichtet im neuen Jahr erst Anfang Juni verlassen, aber bis dahin soll das Kloster leer sein. Und das ist in Anbetracht seiner gut 300-jährigen Geschichte eine Aufgabe, die Schwester Esther liebend gerne ihrer Nachfolgerin überlassen hätte. Doch genau da liegt ja das Problem: Wie in vielen anderen Orden fehlt es an Nachwuchs. Wäre absehbar, dass es in den nächsten Jahren zu einem wahren Boom klösterlichen Lebens käme, könnten die Schwestern gewiss bleiben. Aber so? „Das Haus ist ja viel zu groß für uns. Es stehen mindestens sechs bis sieben Zimmer leer. Das ist einfach nicht wirtschaftlich. Das sieht jede ein. Das muss jetzt halt sein. Und wir sind ja auch alle schon älter“, sagt die 78-Jährige – und schiebt schnell mit dem ihr eigenen verschmitzten Augenzwinkern hinterher: „Aber noch aufrecht.“
Das beweisen die Schwestern auch beim Flohmarkt, in dessen Vorfeld die Stimmung allerdings schon ein wenig gedrückt gewesen sei, wie die Oberin zugibt. So kurz vor Weihnachten habe er den Frauen und vermutlich auch dem federführenden Hausmeister Johann Rampp den letzten Nerv gekostet. „Aber mei, wir wickeln unsere Nerven halt in Schokolade, dann geht das schon“, sagt Schwester Esther und grinst.
Der Andrang ist groß. War ein Tisch eben noch prall gefüllt, ist er wenig später schon leergeräumt. Gertrud Groß aus Mindelheim hat Besteck und Servietten gekauft und Miriam Ciblik und Robert Irsigler wurden bei Dekoartikeln im Stil der 50er und 60er Jahre fündig, die perfekt in ihr Haus passen. An manchen Artikel stehen Preise, für andere gibt es eine Spendenbox. Den Erlös spenden die Schwestern an das Kinderhospiz in Bad Grönenbach und für den Bau einer Schule in Simbabwe.
Auch Vanessa Klepgen hat sich unter die Schatzsucher gemischt. Sie arbeitet in der Augenarztpraxis nebenan und schwärmt von den freundlichen Nachbarinnen. Wie viele andere Mindelheimer bedauert sie sehr, dass die Ära der „Englischen Fräulein“in Mindelheim im kommenden Jahr zu Ende geht. 80 Schwestern haben zu Spitzenzeiten Ende der 1920er Jahre in dem Kloster gelebt, das mit seinem Internat und der Realschule ganze Schülergenerationen und das Stadtleben geprägt hat. „Das ist schon schade für Mindelheim, das ist schon klar“, sagt Schwester Esther. Aber die Mindelheimer hätten sehr verständnisvoll reagiert und auch die Schwestern seien von der Ordensleitung bereits dafür gelobt worden, „dass wir uns nicht anstellen“.
Inzwischen weiß jede von ihnen, wo es für sie hingeht: Zwei Schwestern ziehen nach Neuburg, zwei nach Augsburg, eine nach Bamberg, eine nach München und Schwester Esther selbst nach Altötting. „Ich denke, alle sind zufrieden“, sagt sie. „Ich bin dann keine Oberin mehr und muss mich um nichts mehr kümmern. Ich hoffe bloß, dass ich mich zurückhalten kann. Aber da gibt’s ja mehr gewesene Oberinnen.“Und hoffentlich auch wieder eine Aufgabe. „Weil den ganzen Tag kann man ja auch nicht beten.“Vielleicht klappt es ja mit dem Krankenhausbesuchsdienst, den sie sich gut vorstellen könnte, aber das wird man sehen.
Jetzt steht erst einmal Weihnachten vor der Tür, für die Schwestern zum letzten Mal in Mindelheim. Gefeiert wird trotzdem wie immer. „Wir dürfen nichts mehr verändern“, sagt Schwester Esther gut gelaunt, „sonst kommen wir in Verwirrung“. Erst gibt es Abendessen, danach geht es in die Kapelle und anschließend gibt es eine kleine Bescherung. Feigen, Schokolade und Nüsse mögen die Schwestern gern und das eine oder andere kleine Geschenk wird schon auch unter dem Baum liegen, vermutet die Oberin. Sie hofft allerdings, dass es sich dabei überwiegend um Verbrauchsartikel handelt, die sie dann beim Umzug nicht auch noch in die Kisten packen müssen.
Bis dahin sollen auch die Möbel verkauft sein – und das Kloster selbst am besten auch. Wie die Stadt auf Nachfrage der mitteilt, stehe sie in engem Kontakt mit dem Orden Congregatio Jesu. Es würden bereits Gespräche über eine sinnvolle Nutzungsmöglichkeit der Gebäude geführt. Offiziell ist dann am 2. Juni nach einem letzten Gottesdienst Schluss. Wann genau sie und ihre Mitschwestern ausziehen, kann die Oberin aber noch nicht sagen – und auch nicht, ob es bis dahin vielleicht noch einen weiteren Flohmarkt gibt. Die Biertische und damit der Dachboden sind zwar inzwischen leer. „Aber wir haben schon auch so Sammelschwestern. Wer weiß, was sich in den Zimmern noch alles findet“, sagt Schwester Esther und grinst.
MZ