Mindelheimer Zeitung

Die wundersame Wandlung

München Bei der CSU war man sich lange nicht sicher, was man von der EU hält. Nun will es die Partei anders machen

- VON ULI BACHMEIER

München Kaum irgendwo sonst hat sich die CSU in den vergangene­n Jahrzehnte­n so wankelmüti­g gezeigt wie in der Europapoli­tik. Das klassische Bekenntnis von Franz Josef Strauß, „Bayern ist unsere Heimat, Deutschlan­d unser Vaterland, Europa unsere Zukunft“, wurde immer wieder verwässert oder relativier­t. Mal konnte es gar nicht genug Europa sein, vor allem nicht genug Geld für die bayerische­n Landwirte. Mal wurde Europa geradezu zum Feindbild erklärt: zu viel Bürokratie, zu viel Einmischun­g, zu viele Regeln. Und stets spiegelte sich in den CSU-Programmen zur Europawahl wider, was in Deutschlan­d oder Bayern gerade im Interesse der Partei oder des Parteichef­s war.

Am schmerzhaf­testen bekam dies bei den vergangene­n beiden Europawahl­en der Spitzenkan­didat zu spüren: der schwäbisch­e CSU-Bezirksche­f Markus Ferber. Im Vorfeld der Europawahl 2009 wurde in der Parteizent­rale ernsthaft darüber diskutiert, Ferber gar nicht erst zu plakatiere­n. Es war die erste Wahl unter dem neuen CSU-Vorsitzend­en Horst Seehofer und der war der Auffassung, dass Ferber zu eindeutig proeuropäi­sch war und die Partei zwei andere Zugpferde ganz nach vorne stellen sollte: sich selbst und den damaligen CSU-Shooting-Star und Bundeswirt­schaftsmin­ister Karl-Theodor zu Guttenberg. Ferber kam schließlic­h – neben Seehofer – doch noch aufs Plakat, holte in Bayern 48,1 Prozent und sicherte damit der Partei den Sprung über die damals noch bundesweit geltende Fünf-Prozent-Hürde.

Noch schlimmer kam es für Ferber fünf Jahre später. Er war im Jahr 2014 von der Partei erneut mit überwältig­ender Mehrheit zum Spitzenkan­didaten gewählt worden. Mittlerwei­le aber dominierte in der deutschen Politik die Debatte über die Rettung von Banken und Ländern in der Finanzkris­e. Die CSU sagte nur noch ganz leise „ja“zu Europa und setzte ein sehr lautes „Aber“hinterher. Seehofer hob neben Ferber den erklärten Euro-Skeptiker und nationalko­nservative­n CSU-Politiker Peter Gauweiler auf den Schild. Er sollte als eigens zu diesem Zweck installier­ter Parteivize den EuroKritik­ern in der damals noch von Bernd Lucke geführten AfD Paroli bieten. Bis zuletzt blieb im Wahlkampf offen, wofür oder wogegen die CSU eigentlich steht.

Die Folge war ein Debakel: Nur 40,5 Prozent der bayerische­n Wähler votierten für die Christsozi­alen. Wäre nicht zuvor die bundesweit­e Fünf-ProzentHür­de bei der Europawahl abgeschaff­t worden, die CSU hätte den Sprung ins Europäisch­e Parlament vermutlich nicht mehr geschafft.

Jetzt, vor der Europawahl 2019, ist die CSU mit ihrem neuen Spitzenkan­didaten Manfred Weber auf einen klar proeuropäi­schen Kurs eingeschwe­nkt. Der bayerische Ministerpr­äsident und designiert­e CSU-Chef Markus Söder hat bereits klargemach­t: „Ein Sowohl-als-auch und Nie-ganz-klar und Hinund-her in der CSU sollte es nicht mehr geben.“Webers Vorgänger Ferber bleibt angesichts dieser wundersame­n Wandlung nur eine gewisse Genugtuung. Er sagt: „Die CSU ist jetzt auf den konstrukti­ven Kurs in der Europapoli­tik eingeschwe­nkt, den ich seit 15 Jahren gefordert, aber nie gekriegt habe.“

Die Vorzeichen freilich haben sich geändert und somit ist auch fraglich, ob ein realistisc­her, proeuropäi­scher Kurs, der das Gemeinsame in den Vordergrun­d stellt und den Kompromiss sucht, für sich allein schon ausreicht. Die CSU müsse nicht nur Nationalis­ten und Populisten Paroli bieten, die das Zukunftspr­ojekt Europa als Ganzes attackiere­n. „Wir müssen auch unterschei­dbar sein von anderen proeuropäi­schen Kräften“, sagt Ferber.

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