Mindelheimer Zeitung

Es ist mal wieder komplizier­t

Berlin In der Hauptstadt ist Manfred Weber selbst in den eigenen Reihen nicht unumstritt­en. Dennoch wird er unterstütz­t

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die heiße Phase des Europa-Wahlkampfs hat offiziell noch nicht begonnen, in den Hinterzimm­ern der Berliner Republik jedoch läuft er bereits auf Hochtouren. Dabei steht ein Name im Vordergrun­d: Manfred Weber. Zu erwarten wäre, dass die politische­n Gegner gegen und seine Freunde für den EVP-Spitzenkan­didaten arbeiten. Doch die Lage ist viel komplizier­ter.

Die Grünen etwa gehen selbstbewu­sst in die Europawahl, sie erleben gerade einen Aufschwung, der sie weit über die rund zehn Prozent der letzten Europawahl 2014 (Deutschlan­d-Ergebnis) heben könnte. Verbal schießen sie derzeit deshalb zwar noch scharf gegen den CSU-Politiker, doch die Munition beschränkt sich lediglich auf den Vorwurf, Weber grenze sich nicht deutlich genug gegen rechte Tendenzen und Politiker in der EU ab. Der Bayer macht seit einigen Wochen allerdings genau das und deutsche Spitzen-Grüne zollen dem durchaus Anerkennun­g, wenn auch aus wahltaktis­chen Gründen noch hinter vorgehalte­ner Hand. In den Reihen der Partei wird zudem darauf verwiesen, dass im Bund eine grün-schwarze Ehe schon zwei Mal kurz vor dem Schwur stand.

Bei der SPD ist die Gemengelag­e überschaub­arer, denn die Bundespart­ei macht sich um Mehrheiten und Manfred Weber derzeit eher weniger Gedanken. Sie muss mit ihrer Spitzenkan­didatin Katarina Barley erst einmal ein akzeptable­s Ergebnis bringen. Die 27,3 Prozent der letzten Europawahl werden selbst bei Sozialdemo­kraten als Ausnahmezu­stand bewertet. Stimmen gegen Weber sind da zurzeit eher selten zu hören.

Bei der Union ist die Stimmung etwa so wie 2002 beim Wolfratsha­user Frühstück, als die CDU-Vorsitzend­e Angela Merkel CSU-Chef Edmund Stoiber die Kanzlerkan­didatur überließ. Heute wie damals glauben die Christsozi­alen, sie seien nun auch mal an der Reihe. Sie verweisen darauf, dass Weber 2009 EVPFraktio­nsvize und 2014 Fraktionsc­hef wurde, seine Spitzenkan­didatur also kein Selbstläuf­er sei. Und die CSU betont, Weber sei die große konservati­v-bürgerlich­e Integratio­nsfigur, die unzufriede­ne Wähler für CDU und CSU gleicherma­ßen zurückgewi­nnen könne.

Die Schwesterp­artei CDU steht Webers Kandidatur auch angesichts dieser Argumente im Grundsatz offen gegenüber. Aber bei ihr, wie beim politische­n Gegner, gibt es Stimmen, die ihm die Eignung als Kommission­spräsident absprechen, weil er keine Regierungs­erfahrung habe. Quatsch sei das, ereifert sich die CSU. Denn Weber kenne die Lebenswirk­lichkeit in den Mitgliedst­aaten wie kein anderer.

Ein anderes, angeblich gegen Weber sprechende­s Argument lässt die CSU ebenfalls nicht gelten. Es geht um den Posten des EZB-Präsidente­n. Es heißt, dieser Job sei so wichtig, dass ein Land nur eines haben könne. Entweder den Kommission­spräsident­en. Oder den Chef der Europäisch­en Zentralban­k.

Merkel wolle Bundesbank­Chef Jens Weidmann auf den einflussre­ichen Posten heben, wurde in Berlin bisher kolportier­t. Nun wollen sie bei der Union aber wissen, dass Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron den Posten für sich reklamiert – und dafür bereit ist, den Kommission­spräsident­en den Deutschen zu überlassen.

Die Lage also ist komplizier­t, in der Rechnung mit vielen Unbekannte­n ist nur eines ziemlich sicher: Der parteiüber­greifend geäußerte Wille, diese Europawahl wirklich ernst zu nehmen und sie nicht rechten Populisten zu überlassen.

Weber, so hat es in der Hauptstadt den Anschein, könnte der Kandidat sein, auf den sie sich in der Union und bei anderen Parteien am Ende dann doch verständig­en können.

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