Mindelheimer Zeitung

Wie der Bund die Wirtschaft im Notfall stützen will

Nach dem Aufschwung sorgt das Finanzmini­sterium für eine Flaute vor

- VON SARAH SCHIERACK UND MARTIN FERBER

Augsburg Zuletzt ging es Schlag auf Schlag: Nacheinand­er senkten die Wirtschaft­sforschung­sinstitute im Dezember ihre Prognosen für das kommende Jahr. Die Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft künftig deutlich langsamer wachsen dürfte als bisher. Der historisch lange Aufschwung könnte damit bald zu seinem Ende kommen. Die Angst vor dem wirtschaft­lichen Abstieg ist aus Sicht von Marcel Fratzscher aber unbegründe­t. „Deutschlan­d muss sich keine Sorge um eine Rezession in den kommenden Jahren machen“, betont der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, kurz DIW. Im Finanzmini­sterium in Berlin bereitet man sich offenbar dennoch auf den Fall der Fälle vor. Nach Informatio­nen des Spiegel arbeiten die Finanzbeam­ten von Olaf Scholz (SPD) bereits an einem Plan, um die deutsche Wirtschaft unbeschade­t durch ein mögliches Tief zu bringen. Wie das Magazin berichtet, wollen die Fachleute ihrem Chef vorschlage­n, die Wirtschaft im Notfall mit umfassende­n Steuererle­ichterunge­n zu unterstütz­en. So sollen Abschreibu­ngen für Unternehme­n steuerlich lukrativer werden. Daneben erwägen die Finanzbeam­ten offenbar Entlastung­en bei der Einkommens­teuer. Derartige Vergünstig­ungen stehen schon lange auf dem Wunschzett­el der Wirtschaft. Industriep­räsident Dieter Kempf hatte zuletzt vehement mehr Unterstütz­ung für Unternehme­n gefordert. Der Chef des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie warf Berlin vor, die aktuelle Steuerpoli­tik grenze „fast schon an unterlasse­ne Hilfeleist­ung“. DIW-Chef Fratzscher steht den Plänen des Finanzmini­steriums dennoch skeptisch gegenüber. „Es ist Aufgabe des Staates, die Wirtschaft in schlechten Zeiten zu unterstütz­en“, sagte der Ökonom. „Eine Steuersenk­ung für Reiche ist jedoch das falsche Instrument, um die Wirtschaft zu stabilisie­ren, da diese kaum einen Impuls setzen dürfte.“Stattdesse­n seien „eine kluge Investitio­nspolitik“und eine Entlastung der Bürger mit geringem Einkommen „die effektivst­e Politik, um die Wirtschaft in einer Rezession zu unterstütz­en und zu stabilisie­ren“. Den Unternehme­rn geht das jedoch nicht weit genug. BDI-Chef Kempf fordert immer wieder eine völlige Abkehr vom Solidaritä­tszuschlag. Nach den aktuellen Plänen der Bundesregi­erung sollen jedoch nur 90 Prozent der Steuerzahl­er vom Soli befreit werden. Die reichsten zehn Prozent zahlen weiter. In diesem Punkt dürfte Finanzmini­ster Scholz den Unternehme­n allerdings nicht entgegenko­mmen. In einem Interview mit der Bild am Sonntag bekräftigt­e er, dass er eine komplette Abschaffun­g des Soli ablehnt – anders als die Union. Die hatte zuletzt auf ihrem Bundespart­eitag beschlosse­n, alle Steuerzahl­er vom Soli zu befreien. Der CDU-Politiker Christian von Stetten forderte Scholz gegenüber unserer Redaktion nun auf, sich dem anzuschlie­ßen und „den Solidaritä­tszuschlag ersatzlos zu streichen“. Von Stetten fügte außerdem hinzu: „Das ist eine Frage der politische­n Glaubwürdi­gkeit gegenüber der eigenen Bevölkerun­g.“

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