Alles eine Frage der Haltung
Da hab ich vielleicht mal geschaut, als mir mein Mann das Hausaufgabenheft unserer Tochter vorgelegt hat. „Liebe Frau Baumberger, bitte benutzen Sie ab und zu die Schreibhilfe“, stand da. Ich gebe zu, ich war ein bisschen perplex. Siezt die Lehrerin unsere Tochter neuerding, oder meint sie wirklich mich? Denn ja, es stimmt, ich halte den Stift ziemlich falsch, das stand seinerzeit schon im Erstklass-Zeugnis und hat sich seither nicht geändert. Vermutlich, weil es damals eben noch nicht diese Schreibhilfen gab, die die Lehrerin meiner Tochter in bester Absicht ins Federmäppchen gelegt hat. Zwei Gummidinger, eins dreieckig, das andere eher oval, die man über den Stift schieben kann und die dabei helfen sollen, den Stift richtig zu halten.
Weil ich nicht als altersstarrsinnig gelten will, greife ich also meinerseits zum Stift, bin froh, dass die Lehrerin gerade nicht sehen kann, wie ich ihn mir zwischen die Finger klemme, und schreibe darunter: „Vielen Dank. Wenn Sie glauben, dass das mit fast 40 Jahren noch etwas bringt, will ich es gerne versuchen.“Was ich ihr lieber nicht verrate, ist die Tatsache, dass es mir nicht um viel gelingen will, die Schreibhilfe über den Kugelschreiber zu stülpen, den ich üblicherweise benutze. Ich nehme mir deshalb vor, beim nächsten Elternsprechtag lieber nichts mehr mitzuschreiben, um nicht weiter auf meine Defizite aufmerksam zu machen. Und im Alltag komme ich ja zum Glück schon seit rund 34 Jahren auch ohne Schreibhilfe leidlich zurecht. Wobei sich natürlich schon die Frage stellt, was aus mir hätte werden können, würde ich den Stift nur richtig halten. Vielleicht hätte es dann ja sogar zu einem Beruf gereicht, in dem man richtig viel schreiben muss?