Für immer jung
Wer sich nach ewiger Jugend sehnt, muss eigentlich nicht viel tun. Es genügt, einen Lehrer aufzusuchen und sich etwas erklären zu lassen. Schafkopf zum Beispiel oder wenigsten die Grundlagen davon. In 15 Minuten sei das zu schaffen, hat Gottfried Wesseli gesagt, als ich als Reporterin Gast im Maristenkolleg bin, und er tritt auch gleich den Beweis an. Los geht es mit der richtigen Reihenfolge der Farben und Trümpfe. Er legt die Ober auf den Tisch und bittet dann – pädagogisch geschickt – die Reihe nun selbst fortzusetzen. Eichel, Laub, Herz, Schellen, das konnte ich mir merken, und dass der Ober vor dem Unter kommt, ist ja auch noch nachvollziehbar. Doch während ich mich noch über diesen – zugegeben überschaubaren – Erfolg freue, wird’s auch schon knifflig. Denn da Gottfried Wesseli nun einmal Lehrer ist, rafft er die 14 Trümpfe schnell zusammen und schreitet zur Lernzielkontrolle: Welcher ist der zweithöchste Trumpf, welcher steht an elfter Stelle und welcher an fünfter? Während ich die erste Frage noch recht zügig beantworten kann, komme ich bei der zweiten schon ins Grübeln. Schlagartig bin ich wieder die Schülerin, die vorne an der Tafel abgefragt wird, und ich merke, wie ich feuchte Hände bekomme. Und weil ich mich im selben Moment frage, warum das so ist – meine Schulzeit liegt Jahrzehnte zurück, ich werde keine Note bekommen und kann mir auch sicher sein, dass Gottfried Wesseli mir bestimmt nichts Böses will – kann ich mich unmöglich auf die eigentliche Frage nach dem Trumpf konzentrieren. Vermutlich ist es zwischen Lehrern und Schülern so wie zwischen Eltern und Kindern. Man bleibt auch dann noch Schüler, wenn man es längst nicht mehr ist – für ewig jung also. So gesehen doch auch nicht schlecht, oder?