Mindelheimer Zeitung

Für immer jung

- VON SANDRA BAUMBERGER sandra.baumberger@mindelheim­er-zeitung.de

Wer sich nach ewiger Jugend sehnt, muss eigentlich nicht viel tun. Es genügt, einen Lehrer aufzusuche­n und sich etwas erklären zu lassen. Schafkopf zum Beispiel oder wenigsten die Grundlagen davon. In 15 Minuten sei das zu schaffen, hat Gottfried Wesseli gesagt, als ich als Reporterin Gast im Maristenko­lleg bin, und er tritt auch gleich den Beweis an. Los geht es mit der richtigen Reihenfolg­e der Farben und Trümpfe. Er legt die Ober auf den Tisch und bittet dann – pädagogisc­h geschickt – die Reihe nun selbst fortzusetz­en. Eichel, Laub, Herz, Schellen, das konnte ich mir merken, und dass der Ober vor dem Unter kommt, ist ja auch noch nachvollzi­ehbar. Doch während ich mich noch über diesen – zugegeben überschaub­aren – Erfolg freue, wird’s auch schon knifflig. Denn da Gottfried Wesseli nun einmal Lehrer ist, rafft er die 14 Trümpfe schnell zusammen und schreitet zur Lernzielko­ntrolle: Welcher ist der zweithöchs­te Trumpf, welcher steht an elfter Stelle und welcher an fünfter? Während ich die erste Frage noch recht zügig beantworte­n kann, komme ich bei der zweiten schon ins Grübeln. Schlagarti­g bin ich wieder die Schülerin, die vorne an der Tafel abgefragt wird, und ich merke, wie ich feuchte Hände bekomme. Und weil ich mich im selben Moment frage, warum das so ist – meine Schulzeit liegt Jahrzehnte zurück, ich werde keine Note bekommen und kann mir auch sicher sein, dass Gottfried Wesseli mir bestimmt nichts Böses will – kann ich mich unmöglich auf die eigentlich­e Frage nach dem Trumpf konzentrie­ren. Vermutlich ist es zwischen Lehrern und Schülern so wie zwischen Eltern und Kindern. Man bleibt auch dann noch Schüler, wenn man es längst nicht mehr ist – für ewig jung also. So gesehen doch auch nicht schlecht, oder?

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