Die Bauern nicht an den Pranger stellen
Debatte Warum das laufende Volksbegehren in die falsche Richtung läuft
Das laufende Volksbegehren „Rettet die Bienen!“ist doch eine feine Sache. Ich kenne jedenfalls niemanden, der sagen würde, Bienen seien nicht wichtig. Also fahren wir vor die Rathäuser, schreiben unseren Namen in eine Liste und fahren mit gutem Gefühl wieder nach Hause. Welt gerettet, so einfach ist das.
Aber im Ernst: Es ist gut, dass endlich der Blick auf ein Problem gelenkt wird, das unser aller Zukunft betrifft. Es geht ja nicht nur um die Bienen. Jahr für Jahr verschwinden Tier- und Pflanzenarten für immer, auch in Bayern. Das zu ändern ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Wer mit dem Finger nur auf die Landwirte zeigt, macht es sich viel zu leicht. Es ist richtig, dass die moderne Landwirtschaft einen gehörigen Anteil zum Rückgang der Insekten und damit in der Folge auch anderer Tierarten wie Vögel beiträgt. Aber die bäuerlichen Familienbetriebe sind längst selbst zur bedrohten Art geworden.
Die Zahl der Insekten hierzulande ist in den vergangenen 30 Jahren um 77 Prozent zurückgegangen. Die Zahl der Milchviehbetriebe in den vergangenen 50 Jahren ging um 93 Prozent zurück. Ein Milchbauer aus dem Raum Mindelheim sagte mir dieser Tage, er produziere heute viermal so viel Milch wie sein Vater, und doch kann er davon gerade so leben.
Der Anteil von Bio-Lebensmitteln in Deutschland beträgt 5,3 Prozent. Für die Grünen haben mehr als 17 Prozent der Wähler gestimmt. Da klafft erkennbar eine Glaubwürdigkeitslücke. Man könnte auch sagen: Da ist ganz viel Scheinheiligkeit im Spiel.
Der Bauernverband hat sich leider in einer Position eingeigelt, die dem Problem nicht gerecht wird. Bloß nichts verändern, so könnte man das zusammenfassen. Bisher ist es beiden Seiten nicht gelungen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Bauern sehen in dem Volksbegehren vor allem einen Angriff auf ihr Eigentum. Und viele Naturschützer stellen die Bauern in eine Ecke, als ob diese keinen Sinn für die Natur hätten. Schwarzweiß-Denken führt aber nur zu Verhärtung und nicht zu Verbesserungen.
Es sollte allen klar sein: Jeder muss seinen Beitrag leisten und seinen Lebensstil überdenken. Das Artensterben ist kein bloßes Thema für die Bauern. Blühwiesen nur den Bauern zu verlangen, greift zu kurz. Da sind auch die Kommunen und alle Privatgartenbesitzer gefordert. Vielleicht ließen sich auch die Schulen motivieren, mitzumachen. Jede Klasse könnte sich um ein paar Quadratmeter Blühflächen kümmern. Die Zusammenhänge in der Tier- und Pflanzenwelt ließen sich so der Generation Smartphone gut vermitteln.
Was läuft schief? Ein paar Beispiele gefällig? Mähroboter, die jedes Blümchen kappen, tragen dazu bei, dass Insekten wie Bienen weniger Nahrung finden. Wem das bisschen Grün sogar zu viel Natur ist, der legt sich gleich eine Steinwüste als Garten an.
Kommunen, die ihre öffentlichen Flächen wie Kreisverkehre oder Straßenränder regelmäßig mulchen lassen, verhindern so das Blühen von Pflanzen. Und wenn Städte und Gemeinden in ihren Bebauungsplänen heimische Hölzer und Bäume für die Privatgärten vorschreiben, sollte das auch durchgesetzt werden. In einem Mindelheimer Baugebiet zum Beispiel ist es untersagt, Thuja-Hecken zu pflanzen, die ökologisch kaum einen Wert havon ben. Warum aber wird dann überall geduldet, dass diese Hecken gepflanzt werden?
Beispiel Medikamente. Tonnenweise gelangen chemische Stoffe über die Abwässer in unsere Natur. Fachleuten bereitet das zunehmend Sorgen, weil in den Kläranlagen nur ein Teil dieser Stoffe herausgefiltert werden kann. Es ist also keineswegs nur die TurboLandwirtschaft mit ihren Pestiziden, die die heimische Tierwelt in die Zange nimmt. Und wer sich gerne in den Billigflieger setzt, dem muss schon bewusst sein, dass das Folgen für die Umwelt hat. Die toxikologischen Langzeitwirkungen von Kerosin sind noch gar nicht umfassend erforscht.
Beispiel Flächenfraß: Trotz aller Lippenbekenntnisse aus der Politik wird jeden Tag in Bayern die Fläche von 18 Fußballfeldern zugebaut. Wiesen und Äcker verschwinden, und immer gibt es nachvollziehbare Gründe.
Das Volksbegehren mag ein Weckruf sein. Die Schuldigen vor allem bei den Bauern festzumachen, ist einfach, greift aber viel zu kurz. Was wir brauchen, ist eine gesamtgesellschaftliche Debatte mit mehr Ehrlichkeit. Am besten fängt jeder bei sich selber mal an. Bringen wir alle dieses Jahr zum Blühen.