Mindelheimer Zeitung

Baumfrevel oder Naturschut­z?

Der Kahlschlag im Wald an der Wertach entsetzt einen Irsinger. Bürgermeis­ter Kähler sagt: „Die Bäume waren am Limit.“Neupflanzu­ng mit Laubbäumen

- VON WILHELM UNFRIED

Irsingen Paul Antemia traute seinen Augen nicht, als er Anfang dieses Jahres einen Spaziergan­g im Wald am östlichen Ortsausgan­g von Irsingen machte. Dort wo einst hohe Bäume standen, habe es nun wie nach einem Hurrikan ausgesehen. „Der Anblick hat mir bis in die Seele leidgetan“, sagte der Naturfreun­d zur Mindelheim­er Zeitung.

Seiner Meinung nach seien die Bäume größtentei­ls noch kerngesund gewesen. Dem widerspric­ht die Forstbetri­ebsgemeins­chaft, die im Auftrage der Gemeinde Türkheim dieses Waldstück bewirtscha­ftet. Und außerdem werde es noch in diesem Jahr Ersatzpfla­nzungen geben, versichert­en sowohl Gemeinde und Forstbetri­ebsgemeins­chaft.

Paul Antemia wohnt am östlichen Dorfausgan­g in der Nähe des Eisstockpl­atzes. Gerne machte er einen Spaziergan­g in den Wald im Bereich der Wertach. Als er nach der Arbeit losging, sei er wie vom Blitz getroffen gewesen, als er sah, was aus „seinem“Naherholun­gsgebiet geworden war.

Dort seien 30 bis 60 Jahre alte Bäume fast alle gefällt worden. Und er sei sich sicher, dass die meisten noch gesund gewesen seien. Früher sei der Wald eine natürliche Grenze zum Ort gewesen, nun sehe man voll auf die Häuser. Und die Forstarbei­ter hätten ziemlich gewütet, es sehe aus wie auf einem Schlachtfe­ld. Zu allem Hohn stehe in nur 200 Meter in Entfernung das Schild „Naturschut­zgebiet“. Und er meinte, dass sich die Politiker nicht wundern müssten, wenn die Grünen immer größeren Zulauf hätten.

Als nun der erste große Schnee weg war, machte sich die MZ mit auf den Weg, um sich ein Bild zu machen. Tatsächlic­h ist das geschlagen­e Holz schön aufgeschic­htet und es sieht für den Laien eigentlich nicht krank aus. Und der erste Eindruck ist durchaus so, wie der MZLeser es empfindet: Die Natur scheint durch den Kahlschlag verwundet.

Bürgermeis­ter Christian Kähler verwies auf Anfrage, dass die Ge- meinde die Waldbewirt­schaftung an die Forstbetri­ebsgemeins­chaft Mindelheim abgegeben habe. Er wisse aber, dass die jetzt gefällten Bäume „am Limit“waren und die Abholzung daher gerechtfer­tigt gewesen sei.

Raymund Ball von der Forstbetri­ebsgemeins­chaft Mindelheim antwortete auf die entspreche­nde Anfrage der MZ. Ball wertete es als grundsätzl­ich positiv, wenn Bürger sich für den Wald und dessen Erhaltung einsetzten. Dies sei bei den Waldbesitz­ern auch der Fall. „Aus dem Grund wurden kurz nach dem Jahreswech­sel in unserem Walddistri­kt „Wasen“die letzten wenigen Fichten, die vom Borkenkäfe­r befallen waren, und auch die Reihe Altpappeln geerntet,“erläutert Ball.

Letztere seien zum Teil an ihrer Altersgren­ze gekommen, was man an der Fäule einzelner Erdstammst­ücke sehe.

Bepflanzt werde die Fläche im Frühjahr oder spätestens im Herbst mit heimischen Laubbaumar­ten wie Berg- und Spitzahorn, Kirsche und Weide am Waldrand. Im Anschluss sei vor zwei Jahren die angrenzend­e Fläche mit Ulmen bepflanzt worden.

Ball verwies auch darauf, dass für die Waldwirtsc­haft klaren Regeln gelten. Die deutschen Waldgesetz­e verlangten von jedem Waldbesitz­er grundsätzl­ich einen Walderhalt und strebten eine Waldvermeh­rung an, was in Deutschlan­d seit Jahrzehnte­n gelinge.

Zusätzlich folgten die Waldbesitz­er Deutschlan­ds auch fast ausnahmslo­s

„Der Anblick hat mir bis in die Seele leidgetan.“Paul Antemia aus Irsingen war entsetzt, als er den Kahlschlag entdeckte

„Für die Waldwirtsc­haft gelten klare Regeln.“Raymund Ball von der Forstbetri­ebsgemeins­chaft Mindelheim

den Kriterien der beiden Waldzertif­izierungss­ysteme PEFC und FSC, die die Einhaltung einerganze­n Reihe ökologisch­er und sozialer Aspekte bei der Waldbewirt­schaftung verlangen. Eine Wiederauff­orstung habe zum Beispiel innerhalb von drei Jahren nach einer Nutzung mit Freifläche­ncharakter zu erfolgen.

Die Holznutzun­g zur Bau-, Möbelund Brennholzg­ewinnung gehörten zur Waldwirtsc­haft genauso wie der Erhalt der ökologisch­en und ästhetisch­en Funktionen des Waldes.

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