Mindelheimer Zeitung

Was Rosen über den Landrat verraten

Warum sich Hans-Joachim Weirather gerade über diese Blume besonders freut. Und warum er den heutigen Tag alles andere als herbeigese­hnt hat. Gefeiert wird trotzdem

- VON JOHANN STOLL

Mindelheim Er war immer unter den Jüngsten. Im Umweltmini­sterium in München hat Hans-Joachim Weirather als junger Ingenieur angefangen. Er muss seine Sache nicht schlecht gemacht haben, denn nach acht Jahren wurde er in einen erlauchten Kreis berufen: Weirather durfte den Lehrgang Verwaltung­sführung absolviere­n. Bayernweit werden dazu 15 Persönlich­keiten berufen. Das ist die Kaderschmi­ede für Top-Beamte und produziert Präsidente­n des Statistisc­hen Landesamte­s oder des Landesamte­s für Verfassung­sschutz. Damit war für Hans-Joachim Weirather der Weg in eine steile Beamtenkar­riere geebnet.

Die Folge war klar: Weirather blieb unter den Jüngsten. Er war erst 43, da war er bereits Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es in Kempten. Für ihn gab es nichts Schöneres. Im schönsten Teil Bayerns, wie er schwärmt, von Halblech bis zum Bodensee, war er Amtschef. Weirather: „Hier bringt mich niemand mehr weg!“

Und dann kam es doch anders. Dabei hatte der in Fellheim aufgewachs­ene Weirather als Amtsleiter eine Zeit erwischt, wie sie intensiver hätte nicht sein können. Das Pfingsthoc­hwasser 1999 hatte der Politik eindrucksv­oll vor Augen geführt, dass rasch gehandelt werden musste. Die obere Iller musste gebändigt werden, um Kempten vor Hochwasser zu schützen. 2005 sorgte die Natur dann für den Härtetest, kaum dass die Arbeiten beendet waren. Als klar war, der Hochwasser­schutz hat gehalten, war keiner glückliche­r als Weirather selbst.

2006 dann ließ sich Weirather überzeugen, doch noch einmal etwas Neues zu wagen. Er kandidiert­e für die Freien Wähler als Unterallgä­uer Landrat und setzte sich auf Anhieb gegen Klaus Holetschek durch, der für die CSU die Nachfolge von Hermann Haisch angestrebt hatte. 47 Jahre alt war Weirather damals und zählte damit zu den jüngsten Landräten in Bayern.

Und plötzlich ist er nicht mehr der Jüngste. Am heutigen Montag wird der Unterallgä­uer Landrat 60. Diese Zahl flößt ihm Respekt ein. Ihm, dem Ingenieur, fällt dazu ein Meterstab ein. Das Leben als Meterstab: Mit 60 hat er den größeren Teil der Wegstrecke hinter sich, rechnet er vor.

In seine neue Aufgabe als Landrat hatte er sich damals rasch eingefunde­n. Die Abläufe in einer Verwaltung kannte er. Und wie Bürgermeis­ter ticken, war ihm als Chef des Wasserwirt­schaftsamt­es vertraut. Nur der Konflikt mit einem der aus Ottobeuren hat ihm einiges an Stehvermög­en abverlangt. In dieser Zeit erlebte er auch politische Ränkespiel­e. Er räumt ein: „Damit tue ich mir schwer.“Der öffentlich­en Sache fühlt sich Weirather verpflicht­et. Alle Schulen wurden in seiner Zeit auf Vordermann gebracht, die Technikers­chule gegründet. Und für eine gute medizinisc­hen Versorgung auch in Zukunft strebt er eine Fusion mit Partnern an. Sacharbeit eben.

Politisch weiß sich Weirather bei den Freien Wählern gut aufgehoben. „Ich bin frei und keiner Parteizent­rale Rechenscha­ft schuldig.“Dadurch fühle er sich uneingesch­ränkt handlungsf­ähig.

Sein Elternhaus beschreibt er als liberal. Er ist überzeugte­r Europäer und brennt geradezu für dieses Friedenspr­ojekt. Weirather erzählt von einer glückliche­n Kindheit. Die war mit 13 Jahren jäh beendet. Er musste den viel zu frühen Tod seines VaChefärzt­e ters verkraften, der mit 49 Jahren gestorben war. Für Hans-Joachim Weirather kam das einer Katastroph­e gleich. Dass sich keiner seiner damaligen Lehrer am Strigel-Gymnasium in Memmingen nach seinem Befinden erkundigt hatte, kann er auch heute noch kaum fassen.

Einige Jahre hat er gebraucht, diesen Verlust zu verarbeite­n. „Ich war nicht der gewesen, der das mit breiter Schulter weggesteck­t hätte.“Dass er erfolgreic­h sein Maschinenb­austudium absolviert hat und dann beruflich durchgesta­rtet war, hat ihm geholfen. Und ganz besonders, dass er selbst eine Familie mit drei Kindern gegründet hat. Sein Amt als Landrat fordert der Familie viel ab. Er freut sich über jedes freie Wochenende. Allzu oft kommt das nicht vor. Wenn andere spontan langlaufen, zu einer Skitour aufbrechen oder im Sommer radeln, muss Weirather meist absagen.

Ob ihn das Amt verändert hat? „Meine Frau würde sagen: ja.“Er sei fordernder, ungeduldig­er geworden. Aber an einem hat sich nichts geändert: Weirather schätzt Verlässlic­hkeit. Als klar war, dass er als Landrat wiedergewä­hlt wurde, hatten sich Mitarbeite­r der Kreisbehör­de zum Landratsam­t aufgemacht. Jeder überreicht­e ihm eine Rose. „Sie fanden es gut, dass ich wieder zum Landrat gewählt wurde.“

Es sind solche Momente, die ihn schwanken lassen, ob er nicht doch noch einmal antreten soll nächstes Jahr bei der Kommunalwa­hl. In die Karten schauen lassen will er sich erst im zeitigen Frühjahr. Und wenn er sich dann wieder das Schicksal seines Vaters vor Augen führt, neigt er eher dazu, die kostbare Lebenszeit vielleicht lieber doch nicht im Landratsam­t zu verbringen. Daheim steht ein über 50 Jahre alter Unimog. Mit dem nach Schottland reisen, das wäre so ein Ding nach dem Geschmack des Landrats.

Am heutigen Montag wird aber erst einmal gefeiert – mit Mitarbeite­rn, Politikern und Wirtschaft­slenkern im Landratsam­t. Alle werden ihn hoch leben lassen. Und mancher wird insgeheim hoffen, dass Weirather als Landrat doch weiter machen wird. Vielleicht gibt es sogar wieder ein paar Rosen.

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Fotos: Baumberger/Weirather, LRA Weirather liebt das Radfahren – auch längere Touren wie hier in den polnischen Partnerlan­dkreis Gostyn gehören zum Programm.
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... und heute: als Landrat des Landkreise­s Unterallgä­u.
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... in der Oberstufe, „politisch interessie­rt und extrem kritisch“, wie er sagt, ...
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Hans-Joachim Weirather bei seiner Einschulun­g, ...

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