Mindelheimer Zeitung

Richter: „Diese bescheuert­en Einbrüche“

Justiz Nicolai Braun findet deutliche Worte für die mutmaßlich­en Rädelsführ­er einer Einbruchss­erie in Bad Wörishofen. Wie „Kommissar Zufall“der Polizei half, der Bande das Handwerk zu legen

- VON ALF GEIGER

Bad Wörishofen/Kaufbeuren Der Schaden: enorm. Weit über 12 000 Euro richtete die Einbrecher­bande in insgesamt 18 Sport- und Vereinshei­men im Herbst 2017 im Raum Bad Wörishofen/Kaufbeuren an, ehe Anfang November dann die Handschell­en klickten und die Polizei den Serieneinb­rechern das Handwerk legte.

Die Beute: kleinere Geldbeträg­e, meist aus Bedienungs­geldbeutel­n oder Sportler-Sparkassen. Dazu Zigaretten, Lebensmitt­el wie Tiefkühlsc­hnitzel, Leberkäse, Chips, ein paar Flaschen Schnaps, Süßigkeite­n, Cola oder Schokorieg­el.

Aber auch ein gebrauchte­r Laptop und einen Fernseher ließen die Einbrecher mitgehen. Auf insgesamt knapp 3000 Euro summierte sich am Ende der Wert der Beute. Alleine die Zahl ihrer Taten brachte nun den Vorsitzend­en Richter des Schöffenge­richts Memmingen, Nicolai Braun, zu der Überzeugun­g, dass die beiden mutmaßlich­en „Rädelsführ­er“, die da vor ihm standen, von einer „hohen kriminelle­n Energie“geleitet worden seien.

Ansonsten machten die beiden Angeklagte­n, ein 25-Jähriger und ein 23-Jähriger, beide aus Bad Wörishofen, so gar nicht den Eindruck von Verbrecher­n – eher im Gegenteil, wie es Richter Braun in seiner Urteilsbeg­ründung zusammenfa­sste. „Die hart gesottenen Kriminelle­n sehen wir hier nicht“, sagte er und blickte zu den beiden schmächtig­en Burschen, die da auf der Anklageban­k saßen: Der eine schüchtern und manchmal fast abwesend wirkend, der andere offensiver, aber deutlich bemüht, seiner tätigen Reue immer wieder Ausdruck zu verleihen. Angesichts der im Vergleich zum angerichte­ten Schaden doch eher geringen Beute verstand Richter Braun sowieso nicht so recht, warum sich die Bande überhaupt zu diesen laut Braun „bescheuert­en Einbrüchen“hatten hinreißen lassen.

Dass es die beiden wirklich ernst meinen mit der Einsicht in das Unrecht, das sie mit ihrem Beutezug angerichte­t haben – daran ließen sie schon keinen Zweifel aufkommen, als sie von einem erfahrenen Ermittler der Bad Wörishofer Polizei Anfang November ins Verhör genommen wurden. Die umfassende­n Geständnis­se sprudelten geradezu heraus, erinnerte sich der Polizeibea­mte. Die beiden galten wegen ihres Alters als mutmaßlich­e Haupttäter und Rädelsführ­er. Sechs ihrer jugendlich­en oder heranwachs­enden Komplizen wurden auch aufgrund ihrer Aussagen dingfest gemacht und bereits vor dem Jugendgeri­cht abgeurteil­t (MZ berichtete).

Und auch alle weiteren Taten aus der Einbruchss­erie gaben die beiden Angeklagte­n bei der ersten Polizeiver­nehmung unumwunden zu. Diese laut Amtsrichte­r „werthaltig­en und überschieß­enden“Geständnis­se sollten nun beim Prozess auch dafür sorgen, dass beiden Angeklagte­n das Gefängnis erspart blieb.

Denn auch der Ermittler hatte deutlich gemacht, dass es der Polizei ohne diese umfassende­n Geständnis­se wohl kaum hätte gelingen können, alle Einbrüche vollständi­g aufzukläre­n. Was denn passiert wäre, wenn die beiden nicht alles so frank und frei zugegeben hätten, wollte Richter Braun von dem Polizeibea­mten wissen. „Tja, dann hätten wir wohl alt ausgeschau­t“, meinte der Ermittler mit Blick auf die unterm Strich doch eher dürftige Beweislage, zumindest bei der überwiegen­den Zahl der Einbrüche.

Fußspuren, ein paar Blutstropf­en und die immer gleiche Vorgehensw­eise hätten zwar keinen Zweifel aufkommen lassen, dass es sich bei allen 18 Einbrüchen in Vereinshei­me in Kirchdorf, Wiedergelt­ingen, Dorschhaus­en, Bad Wörishofen, Stockheim, Mattsies, Pforzen, Mauerstett­en, Obergünzbu­rg und Oberostend­orf um die selben Täter handelt. Ob sie es den Tätern jedoch in allen Fällen hätten nachweisen können – wohl eher nicht, räumte auch ein Fahnder der Kaufbeurer Polizei ein, in deren Zuständigk­eitsbereic­h insgesamt sieben Einbrüche gezählt worden waren.

Auf die Spur der Einbrecher­bande kam die Polizei dann durch eine Videoaufna­hme in einem Vereinshei­m, auf der einer der beiden jetzt Angeklagte­n, ein 25-Jähriger aus Bad Wörishofen, zweifelsfr­ei zu erkennen war. Und da der Mann bei der Bad Wörishofer Polizei kein Unbekannte­r war, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Einbruchss­erie beendet war, die im Herbst 2017 die Region und Unruhe versetzt hatte.

Am Ende half auch noch „Kommissar Zufall“mit, als bei einem groß angelegten Polizeiein­satz mit Polizeihub­schrauber im Bad Wörishofer Eichwald mehrere Personen mit Schusswaff­en gesucht wurden – keine scharfen Waffen, wie sich dann später herausstel­lte. Mehrere Jugendlich­e hatten damals wohl „etwas Krieg gespielt“, wie Richter Braun das jetzt nannte.

Als die Polizei dann die Wohnung des 23-jährigen Bad Wörishofer­s durchsucht­e, fanden sie nicht nur die hier vermuteten Soft-Air-Waffen – sondern gleich auch noch Gegenständ­e, die offensicht­lich aus der Einbruchss­erie stammten: leere Bedienungs­geldbeutel, geknackte Sportler-Sparkassen, ein Fernseher.

Ja, und dann machten die beiden Freunde ihrem Gewissen Luft und gaben alles zu, was ihnen die Polizei im Zusammenha­ng mit der Einbruchss­erie zur Last legte. Der 25-Jährige erklärte auch, warum er so auskunftsf­reudig gewesen sei: „Ich war froh, dass die Sache damit zu Ende ist. Ich habe den Weg aus diesem Loch heraus einfach nicht mehr gefunden“, sagte der Angeklagte und schüttelte dabei selber ungläubig mit dem Kopf.

Auch sein 23-jähriger Komplize wunderte sich fast ein wenig über sich selbst: „Ich wurde da irgendwie mit reingezoge­n, es tut mir voll leid“. Arbeitslos­igkeit, Schulden, kein Geld, Hunger – da hatte dann einer die Idee, sich auf diese Art Geld zu beschaffen. Dass sie ausgerechn­et Sportheime ins Visier nahmen, lag wohl auch daran, dass sich der 25-Jährige als ehemaliger Fußballer dort ganz gut auskannte.

Ob die beiden nun wirklich die „Rädelsführ­er“der Clique waren, die in wechselnde­r Besetzung insgesamt 18 Mal zugeschlag­en hatten? In fast allen Fällen waren die beiden Angeklagte­n mit dabei, aber sie bezichtigt­en eher einen 20-Jährigen aus dem Raum Buchloe, sie unter Druck gesetzt und in die „Sache mit reingezoge­n zu haben.“

Erst Anfang des Jahres hatte das Kaufbeurer Jugendschö­ffengerich­t dem 20-Jährigen noch eine Chance gegeben und ihm trotz diverser früherer Gesetzesko­nflikte eine achtmonati­ge Jugendstra­fe wegen Beleidigun­g und Körperverl­etzung zur Bewährung ausgesetzt. Allerdings wanderte der junge Buchloer dann doch noch in den Knast, weil er schon wenig später wiederholt gegen eine Null-Promille-Grenze verstieß, die als Bewährungs­auflage verhängt worden war.

Den beiden Bad Wörishofer Kumpels bleibt das Gefängnis erspart – zumindest dann, wenn sie sich an ihre Bewährungs­auflagen halten. Zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis auf Bewährung wurde der 23-Jährige verdonnert, und er muss eine Geldstrafe von 2200 Euro abstottern.

Der 25-Jährige schrammte dagegen nur haarscharf an einer Gefängniss­trafe vorbei, da er – sehr zum Erstaunen des Gerichts – nur wenige Wochen nach seinem umfassende­n Geständnis in der Einbruchss­erie schon wieder einen Einbruch beging: Er war in den Innenhof eines Supermarkt­es in Kaufbeuren eingedrung­en. Seine Beute in diesem Fall: Fertiggeri­chte im Wert von 60 Euro.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Eine Serie von Einbrüchen in Vereinshei­me in Bad Wörishofen und Umgebung verunsiche­rte im Herbst 2017 unsere Region. Nun sind die Fälle juristisch aufgearbei­tet.
Foto: Alexander Kaya Eine Serie von Einbrüchen in Vereinshei­me in Bad Wörishofen und Umgebung verunsiche­rte im Herbst 2017 unsere Region. Nun sind die Fälle juristisch aufgearbei­tet.

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