Rote Karte für die grüne Wiese
Einzelhandel Immer wieder wollen Discounter im Außenbereich große Verkaufsflächen eröffnen. So wie aktuell der Sportartikelhändler Decathlon, den es nach Kempten zieht. Die Städte aber lassen das nicht zu – meistens jedenfalls
Allgäu Wie viel Konkurrenz vor den Toren der Stadt verträgt der alteingesessene Einzelhandel? Oder anders formuliert: Lassen Neuansiedlungen im Außenbereich die Innenstädte ausbluten? Diese Frage beschäftigt Handel und Politik im Allgäu immer wieder. Aktuell befeuert wird die Diskussion durch den Sportartikel-Discounter Decathlon. Der will in der Region liebend gerne eine Filiale mit über 2000 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnen, kann an seinem Wunsch-Standort im Außenbereich aber nicht landen.
Der französische Sportartikelhändler macht aus seinem Favoriten kein Geheimnis: „Im Allgäu ist unsere Präferenz ganz klar Kempten“, sagt Ludger Niemann von der Unternehmensentwicklung. Nur falls dort kein geeigneter Standort zu finden sei, weiche man auf die „kleineren Agglomerationen“Memmingen oder Kaufbeuren aus.
Hauptkriterium seien das große Einzugsgebiet Kemptens und die Kundenfrequenz. Decathlon bündelt laut Niemann in seinen Märkten eine Vielzahl von Sportarten unter einem Dach, bietet aber auch ausladende Sportartikel wie Boote und Fitnessgeräte sowie üppige Testareale. Dieses „Fachmarktkonzept“erfordere große Flächen und passe kaum in die Innenstädte. Auch die Parkplätze in direkter Nähe spielten eine wichtige Rolle.
Die Kemptener Unternehmerfa- Feneberg würde Decathlon in ihrem Fenepark am nordöstlichen Stadtrand nur zu gerne eine Ladenfläche vermieten. Denn seit dem Auszug eines Baumarktes fehlen dem 1969 eröffneten Fachmarktzentrum ein Ankermieter und damit sechsstellige Einnahmen im Jahr. Doch Verwaltung und Stadträte lehnen die Ansiedlung außerhalb des Zentrums ab. „Wir tun das nicht zugunsten einzelner Geschäfte, sondern zum Schutz der ganzen Innenstadt“, argumentiert Oberbürgermeister Thomas Kiechle.
Er verweist auf das Einzelhandelskonzept der Stadt, das regle, welche Branchen im Außenbereich tabu sind. Vergleichbare Anfragen großer Filialisten gebe es immer wieder. Und immer wieder würden sie abgelehnt. Kiechle: „Uns geht es um Verlässlichkeit. Der Einzelhandel muss Vertrauen haben können in die Politik der Stadt.“Diese Position jedoch lässt Unternehmer Christoph Feneberg nicht gelten. Denn beim „Fenepark“handle es sich nicht um ein neues Projekt, sondern um einen etablierten Nahversorger, der die Chance haben müsse, sich den veränderten Rahmenbedingungen im Handel anzupassen. Eine Vergrößerung der Verkaufsfläche nicht geplant. Feneberg habe der Stadt mehrere Gutachten und Konzepte für eine verträgliche Nutzung der freien Fläche vorgelegt. Lasse sich auf Sicht kein geeigneter Nachmieter finden, bedeute das für den Fenepark „ein Sterben auf Raten“.
Bessere Karten für einen Standort im Außenbereich hat Decathlon in Memmingen, wo möglicherweise eine Filiale des Möbelriesen Ikea entstehen wird. Die fertige Planung, die Ikea 2018 überraschend auf Eis gelegt hat, sieht am Autobahnkreuz auch ein Fachmarktzentrum mit einer Verkaufsfläche von über 22000 Quadratmetern vor. Für „Sport und Camping“sind dort 3000 Quadratmeter eingeplant. „Wir tun uns schwer mit diesem Thema“, räumt Oberbürgermeister Manfred Schilder ein. Zwar müsse der Handel Vielfalt und Wettbewerb bieten. Sortimente jedoch, die den Geschäfmilie ten in der Innenstadt schaden könnten, gehörten nicht an die Peripherie. Zumal man einem eingesessenen Sportwarenhändler vor Jahren den Umzug vom Memminger Zentrum auf die grüne Wiese verwehrt hatte.
Wie passt diese Haltung zum groß dimensionierten Fachmarktzentrum? Das sei ein „Sonderfall“, sagt Schilder. Der Stadtrat habe sich zu Ikea bekannt – „und das müssen wir mit gewissen Zugeständnissen verbinden“. Ohne diese Konstellation hätte beispielsweise ein Sport-Discounter im Außenbereich keine Chance. Wobei für den OB auch klar ist: 1500 Quadratmeter Verkaufsfläche oder mehr seien in der Innenstadt nur schwerlich bereitzustellen. Das sieht Stefan Bosse optimistischer: „In Kaufbeuren wäre das schon machbar“, sagt der Oberbürgermeister und Vorsitzende des Regionalen Planungsverbandes Allsei gäu. Erlauben würde das die Stadt jedoch nur im „zentralen Versorgungsbereich“in der Innenstadt. Stellplätze ließen sich in nahen Parkhäusern finden. „Wir stehen seit Längerem in gutem Kontakt mit Decathlon“, verrät Bosse. Das Unternehmen finde den Standort „interessant“– wie es weitergehe, sei aber völlig offen.
Angesichts der Schließung von zwei größeren Textilhäusern in Kaufbeuren sei die Stadt aktiv geworden. „Wir versuchen, eine Neuansiedlung zu unterstützen“, sagt Bosse. So kooperiere die Stadt mit einem Makler, der die Objekte in Kaufbeuren kenne. Sollte sich ein großer Player wie Decathlon für Kaufbeuren entscheiden, erwartet Bosse unterschiedliche Reaktionen: „Viele sagen, dass das Kaufbeuren gut tut, weil es Kaufkraft bringt.“Konkurrenten im Einzelhandel sähen das anders: „Die sagen, das geht gar nicht!“Die Margen seien knapp genug – und dann verschärfe noch ein weiterer Konkurrent die Lage.
„Bei allen Händlern in allen Branchen lässt die Frequenz auf den Flächen nach“, bestätigt ein Einzelhändler aus dem Memminger Zentrum. „Es wird immer schwerer, attraktiv zu bleiben.“Bei Decathlon dagegen glaubt man nicht, dass eine Filiale im Außenbereich große Folgen für die Innenstadt habe: Weil man zu fast 90 Prozent eigene Produkte verkaufe, seien die Auswirkungen „in der Regel marginal“, sagt Ludger Niemann.
Memmingen und Kaufbeuren sind für Decathlon zweite Wahl