„Steuerskandal“ist (noch) nicht ausgestanden
Justiz Die Landesanwaltschaft als Disziplinarbehörde prüft jetzt weitere juristische Schritte gegen den ehemaligen Leiter des VG-Steueramtes. Die VG Türkheim hat ebenfalls einen Anwalt beauftragt
Türkheim/München Zu einer elfmonatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung wurde Anfang Dezember der ehemalige Leiter des Steueramtes der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Türkheim verurteilt. Zudem muss der 62-Jährige 2400 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen.
Mit diesem Urteil zog der Vorsitzende Richter Nicolai Braun des Schöffengerichts Memmingen zumindest aus strafrechtlicher Sicht einen Schlussstrich unter den Türkheimer Steuerskandal.
Die juristische Auseinandersetzung ist damit aber noch nicht beendet, jetzt steht noch das Disziplinarverfahren an, das wegen der laufenden Ermittlungen bis zu einem Urteil auf Eis gelegt werden musste.
Zuständig ist die Landesanwaltschaft Bayern, die als Disziplinarbehörde nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens das Strafurteil und die Strafakten angefordert hat. Dies teilte auf Anfrage der der Pressesprecher der Landesanwaltschaft, Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier mit.
Auch für die Verwaltungsgemeinschaft Türkheim geht die juris- tische Auseinandersetzung um die Folgen des „Steuerskandals“weiter: Wie Bürgermeister Christian Kähler auf Anfrage mitteilte, hat die VG bereits einen Rechtsanwalt damit beauftragt, mögliche Schadensersatzansprüche zu prüfen.
Vonseiten der Landesanwaltschaft werde das Disziplinarverfahren fortgesetzt, sobald die Unterlagen des Memminger Gerichts vorliegen. Wann mit einem Abschluss der disziplinarrechtlichen Ermittlungen gerechnet werden kann, sei nicht abschätzbar. Die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde führe derzeit nur gegen den ehemaligen Leiter des Steueramtes ein Disziplinarverfahren durch, nachdem ihr die Disziplinarbefugnisse von der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim übertragen worden sei, so Kirchmaier. Der 62-jährige Angeklagte war bereits vor der Verhandlung und dem Schuldspruch in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden.
Das Disziplinarverfahren diene laut Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier der Aufklärung und Ahndung von Dienstvergehen. Erwiesene Dienstvergehen können demnach durch unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen geahndet werden. Bei Ruhestandsbeamten kommen laut Kirchmaier jedoch nur die anteilsmäßige und zeitlich auf längstens fünf Jahre begrenzte Kürzung des Ruhegehalts oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht.
Die Geltendmachung und Durchnoch setzung von Schadenersatzansprüchen gegen den Beamten, die sich aus einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung von Dienstpflichten ergeben können, sei dagegen nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens. Derartige Schadensersatzansprüche müssten gegebenenfalls durch den Dienstherrn – also der Verwaltungsgemeinschaft Türkheim – in einem gesonderten Verfahren nachdem Beamtenstatusgesetzes verfolgt werden.
Der Schaden, der durch die Untreue des Angeklagten entstanden war, wird auf rund drei Millionen Euro beziffert. Schon seit Beginn der 2000er-Jahre war es zu Unregelmäßigkeiten im Türkheimer Steueramt gekommen, wie sich im Verlauf der Beweisaufnahme gezeigt hatte.
Da aber ein Großteil der Fälle bereits verjährt war oder jetzt auch vom Memminger Schöffengericht nicht mehr alle vorliegenden Fälle in allen Details nachvollzogen werden konnten, sei dem Steuerzahler letztlich ein Schaden von gut 1,1 Millionen Euro entstanden.
Entscheidend für das Urteil war, dass sich der langjährige Mitarbeiter der VG-Verwaltung keinen persönlichen Vorteil dadurch verschafft habe, dass er im Zeitraum von 2001 bis 2015 hinweg gut 1000 Steuerbescheide einfach nicht bearbeitet hat und verschwinden ließ. Der Beamte habe „nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet“, wie dies bei Steuervergehen sonst ja durchaus die Regel sei. Strafmildernd sei auch die psychische Erkrankung des bei seinen Kollegen überaus beliebten Beamten gewesen.
„Die Landesanwaltschaft Bayern führt derzeit nur gegen den ehemaligen Leiter des Steueramtes ein Disziplinarverfahren durch“Oberlandesanwalt Robert Kirchmaier