Die versteckte Vielfalt im Schlamm
Schlammpackungen halten fit – zumindest scheint das für Samen von einer Reihe von Pflanzenarten zu stimmen. Denn Biologen der Universität Regensburg haben in einer Studie nachgewiesen, dass in über 100 Teichen in Bayern und BadenWürttemberg so mancher Same in den Schlammböden über 100 Jahre keimfähig bleibt – und das, obwohl einige der gefundenen Keimlinge von Pflanzenarten stammen, die an jenen Standorten als verschollen oder ausgestorben gelten.
Der Ökologe Prof. Dr. Peter Poschlod von der Universität Regensburg untersucht bereits seit über 30 Jahren die Langlebigkeit von Samen seltener und gefährdeter Arten. In seiner jüngsten Studie zu Schlammböden hat er im Laufe von 26 Jahren die Sedimente von 108 Fischteichen in Bayern und Baden-Württemberg untersucht – und die Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift Biological Conservation veröffentlicht.
Dabei zeigte sich, dass alle Teiche bis auf einen keimfähige Samen von wenigstens einer gefährdeten Art der regionalen oder nationalen Roten Listen enthielten – und dies in zum Teil erstaunlich großer Menge (bis zu fast 3000 pro Liter Sediment). Das Ergebnis ist umso erstaunlicher, weil viele dieser gefährdeten Arten in den Untersuchungsgebieten als entweder nicht vorkommend, seit längerem verschollen oder ausgestorben gelten. Von insgesamt über 540000 gezählten Keimlingen, die aus den Proben von jeweils sechs bis zehn Litern Sediment pro Weiher aufliefen, stammten über 300000 Keimlinge von 49 typischen Schlammbodenarten. Von diesen 49 Arten gelten 22 aktuell regional (Bayern, Baden-Württemberg) oder national als gefährdet.
Daten der floristischen Kartierungen der jeweiligen Länder zeigen, dass die Samen in Schlammböden nicht nur über mehrere Jahrzehnte, sondern auch über 100 Jahre überleben können. Keimfähige Samen dieser Arten existieren also auch noch, wenn die Pflanzen selbst an den entsprechenden Standorten gar nicht mehr vorkommen.
Der anschließende Appell der Forscher lautet: Dieser „versteckten“Vielfalt sollte noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn in solchen Lebensräumen könnte dieses Potenzial im Rahmen von Renaturierungsmaßnahmen genutzt werden.