Mindelheimer Zeitung

Insektenst­erben = Bauernster­ben?

Agrar Klaus Vidal ist Öko-Landwirt der ersten Generation. Und er war ÖDP-Mitglied – bis das Volksbegeh­ren für mehr Artenschut­z kam. Das, sagt er, führe in die völlig falsche Richtung

- VON SONJA KRELL

Pfaffenhof­en an der Roth Klaus Vidal hat sich viel geärgert in den letzten Wochen. Und der 56-Jährige hat diskutiert. Mit anderen Landwirten, mit Kunden, die in seinem Hofladen im Pfaffenhof­ener Ortsteil Erbishofen selbst gebackenes Brot, Kartoffeln oder Eier einkaufen, mit Vertretern der Verbände, die das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“initiiert haben. Auch wenn es ein großer Erfolg war, auch wenn sich Artenschüt­zer und Landwirte vor ein paar Tagen zum ersten Runden Tisch getroffen haben, empört sich Vidal noch immer über das, was da gefordert wurde.

Erwähnensw­ert ist das zum einen, weil Vidal einen Bio-Bauernhof betreibt. Vor allem aber, weil er mehrere Jahre lang Mitglied der ÖDP war. Zum Jahreswech­sel aber ist Vidal aus der Partei ausgetrete­n – wegen des Volksbegeh­rens.

Dabei ist Vidal überzeugt, dass endlich mehr für den Artenschut­z getan werden muss. Für den Schutz der Insekten. Für die Steigerung der Biodiversi­tät. Schließlic­h ist er BioBauer der ersten Generation, 1991 hat er den Betrieb im Kreis NeuUlm auf Öko-Landbau umgestellt. Das Volksbegeh­ren aber ist der falsche Weg, sagt er. Die Liste dessen, was ihn an dem Gesetzentw­urf stört, ist lang. Es sind grundsätzl­iche Dinge, aber auch viele Details.

Vidal nimmt am Küchentisc­h Platz, blättert durch den Stapel Papier und schlägt dann den Flyer des Volksbegeh­rens auf. „Es ist doch ein Unding, dass bei der Konzeption dieses Volksbegeh­rens kein Einziger dabei war, der sein Einkommen komplett aus der Landwirtsc­haft zieht“, schimpft er und schüttelt den Kopf. Das, was hier gefordert wird, klinge vielleicht gut. „Man kann ja gar nicht dagegen sein, die Bienen zu retten“, sagt er. Nur: Den Forderungs­katalog im Kleingedru­ckten lese kaum jemand. Und vieles, was da steht, schade den Bauern, sagt Vidal. Auch denen, die ökologisch wirtschaft­en.

Zum Beispiel der Punkt, dass Wiesen nach dem 15. März nicht gewalzt werden dürften. „Totaler Unsinn“, sagt Vidal. Weil der Landwirt bei Wildschwei­nschäden, die nicht gerade selten vorkämen, neu ansäen und dann auch anwalzen müsse. Andernfall­s habe er zu viel Dreck im Futter. Oder die Forderung, wonach zehn Prozent des Grünlands erst nach dem 15. Juni gemäht wer- den dürften. Dadurch verschlech­tere sich die Qualität des Futters, sagt Vidal. „Am 15. Juni wächst oft schon der zweite Schnitt durch.“

Überhaupt sind es die zunehmende­n Vorschrift­en, die den Bio-Bauern stören. „Wir werden doch überhäuft damit, uns wird jeglicher Entscheidu­ngsspielra­um genommen.“Da ist etwa die neue Düngeveror­dnung, die den Landwirten feste Zeitpunkte und zudem Techniken vorschreib­t, mit denen die Gülle ausgebrach­t werden darf. Weil diese Technik aber teuer ist, müsste Vidal Lohnuntern­ehmer beauftrage­n. Das will er nicht – ebenso wenig, dass immer schwerere Gespanne auf seine Äcker fahren und den Boden verdichten. Letztlich, sagt er, werden durch solche Regelungen immer die kleinen Betriebe benachteil­igt. Und immer mehr Landwirte hören auf, weil sie genug von Vorschrift­en haben. „Dieses Berufsbild hat für mich keinen Reiz mehr“, sagt Vidal, und er wirkt ernüchtert. „Man muss doch kapieren, dass das Insektenst­erben auch mit dem Bauernster­ben zu tun hat.“

Vidal bewirtscha­ftet in Erbis- hofen 27 Hektar, in seinem Stall stehen zehn Mutterkühe und deren Kälber. Das Getreide, das er anbaut, verkauft er als Mehl oder nutzt es für selbst gebackenes Brot. Vidal legt Wert auf diesen natürliche­n Betriebskr­eislauf. Was ihm aber Sorge bereitet, ist, wie sehr sich die Strukturen in der Landwirtsc­haft verändern. Im Volksbegeh­ren wurde gefordert, dass bis 2025 mindestens 20 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen ökologisch bewirtscha­ftet werden sollen, bis 2030 mindestens 30 Prozent. „Der Öko-Landbau geht schon jetzt in eine schlechte Zukunft“, kritisiert Vidal. Die BioBetrieb­e würden immer größer, damit auch die Flurstücke, was wiederum weniger Biodiversi­tät bedeute. Wieder blättert Vidal im Papierstap­el, zeigt Prospekte, in denen Dünger für ökologisch­en Landbau angeboten wird oder bis zu 24 Meter breite Striegel, mit denen Landwirte auf das Feld fahren, um das Unkraut zu bekämpfen. Vidal schüttelt den Kopf ob der riesigen Gerätschaf­ten. „Da hat der Feldhase doch keine Chance mehr zu flüchten.“

Anderersei­ts, beklagt Vidal, wer- den die Richtlinie­n der Bio-Anbauverbä­nde zunehmend aufgeweich­t. „Biokreis“etwa will künftig auch Ställe zertifizie­ren, in denen bis zu 12 000 Legehennen, 19 200 Masthähnch­en oder 10 000 Puten gehalten werden. „Das ist doch mit Bio nicht mehr vereinbar“, sagt er. Ebenso wenig die Tatsache, dass Bioprodukt­e heute beim Discounter angeboten werden – so, wie es Bioland seit vergangene­m Jahr bei Lidl tut, das damit wirbt, „dauerhaft billig zu sein“. Für Vidal ein Sündenfall, denn: „Es gibt kein Bio zu Billigprei­sen.“

Was sich der 56-Jährige wünscht, ist ein vernünftig­er Vorschlag für mehr Artenschut­z, der nicht nur den Landwirten Verantwort­ung aufbürdet. Und dass kleinbäuer­liche Strukturen geschützt werden. Zudem fordert er ein Entgegenko­mmen der Gesellscha­ft, um den Artenschut­z voranzubri­ngen. Das aber, sagt er, geht nicht, wenn die Menschen billige Inlandsflü­ge buchen oder über die Autobahn rasen, dann aber für den Schutz der Bienen unterschre­iben. „Das ist letztlich eine Doppelmora­l.“

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Klaus Vidal in seinem Stall zwischen seinen Kühen und Kälbern. Der Bio-Bauer aus dem Kreis Neu-Ulm sagt: „Das Volksbegeh­ren geht in die falsche Richtung.“
Foto: Alexander Kaya Klaus Vidal in seinem Stall zwischen seinen Kühen und Kälbern. Der Bio-Bauer aus dem Kreis Neu-Ulm sagt: „Das Volksbegeh­ren geht in die falsche Richtung.“

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