Mindelheimer Zeitung

Die Sprachlosi­gkeit bleibt

Kriminalit­ät Ein Angeklagte­r im Fall der Kinderporn­ografie-Plattform Elysium kommt aus Landsberg. Seine ehemaligen Bekannten sind schockiert. Die Plädoyers finden am 28. Februar statt

- VON ALEXANDRA LUTZENBERG­ER

Landsberg „Als wir von der Verhaftung hörten, waren wir wie in einer Schockstar­re – und dieser Zustand hält bis heute an“, sagt ein Bekannter eines 63-jährigen Hauptangek­lagten. Dieser stammt aus Landsberg am Lech und gilt als Mitglied des Kinderporn­o-Rings „Elysium“. Seine früheren Freunde (es gab wenige) und Bekannten aus Landsberg wollen im Bericht nicht namentlich genannt werden, nicht mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden. Zu groß ist der Schock. „Das Ganze ist schlimm genug für uns, ich kann mit niemandem im Freundeskr­eis darüber reden“, sagt ein langjährig­er Bekannter gegenüber unserer Zeitung. „Man ist völlig allein mit dieser schrecklic­hen Geschichte.“

Bekannt wurde der Fall „Elysium“im Jahr 2017, und bis heute habe sich an dieser Sprachlosi­gkeit in Landsberg nichts geändert. Das sagt ein ehemaliger Freund des Angeklagte­n. Auch dass sich inzwischen alle Bekannten von dem Hauptangek­lagten distanzier­t haben. Es gibt keinen Kontakt mehr. Der ehemalige Freund schildert unserer Zeitung, wie schlimm es war, zu erfahren, dass ein Haupttäter im „Elysium“-Prozess aus seinem unmittelba­ren Bekanntenk­reis stammt. „Das war unfassbar.“Der Angeklagte lebte allein in Landsberg, er habe eine Schwester und ei- nen Bruder. Mehr wisse man nicht über ihn.

Dass die Kinderporn­ografiePla­ttform „Elysium“– im Darknet abgeschirm­t – mehr als 111 000 Nutzerkont­en weltweit hatte, war für viele Menschen unvorstell­bar. Die Angeklagte­n luden dort Tausende von Videos und Fotos von missbrauch­ten Kindern hoch. Für die Landsberge­r waren es aber auch die Aussagen der vier Hauptbesch­uldigten, die deutlich zeigten, dass die Männer im Alter von 41 bis 63 Jahren oft kein Unrechtsbe­wusstsein zeigten. „Das fand ich am Schrecklic­hsten“, so ein Landsberge­r, der aus dem Umfeld eines der Hauptangek­lagten stammt. „Die haben gar nicht kapiert, was sie falsch machen. Im Gegenteil: Sie sind auch noch stolz darauf.“

Alle Vernehmung­en im Verfahren, das in Limburg (Hessen) stattfinde­t, sind abgeschlos­sen. Die Plädoyers werden nun am 28. Februar gehalten, das Urteil wird für den 7. März erwartet. Die Polizei hatte „Elysium“bereits im Juni 2017 abgeschalt­et. Angeklagt sind in Limburg vier Deutsche aus Hessen, Baden-Württember­g und Bayern. Die Männer im Alter zwischen 41 und 63 Jahren sollen das Forum betrieben oder sich am Betrieb beteiligt haben. Ein Angeklagte­r soll zudem Kinder sexuell missbrauch­t haben. Und dieser Angeklagte ist der 63-jährige Mann aus Landsberg.

Er gilt seit den 80er Jahren als einschlägi­g vorbestraf­t. Der gelernte Erzieher soll damals Fotos von behinderte­n Kindern gemacht haben. In Landsberg war wenigen Freunden bekannt, dass er eine Vorstrafe hatte, allerdings nicht warum. Alle Unterlagen zu diesem Fall wurden von der Polizei nach fünf Jahren gelöscht, es gibt keine Eintragung mehr.

Nun steht der Mann wieder vor Gericht: Er war nicht nur für das Erscheinun­gsbild von „Elysium“als Grafiker verantwort­lich, er soll auch im August 2016 nach Österreich gereist sein, zu einem Mann aus Wien, und soll dort zwei Kinder, fünf und sieben Jahre alt, die Kinder des Österreich­ers, missbrauch­t haben. Die Beschuldig­ten fotografie­ren die nackten Kinder, berühren sie an den Genitalien. Der 63-Jährige steht nun kurz vor der Urteilsver­kündung. Denn das Video aus Wien landete später auf der Plattform „Elysium“. Der Landsberge­r wird der bandenmäßi­gen Verbreitun­g von Kinderporn­ografie und des Kindesmiss­brauchs beschuldig­t.

Für seine Bekannten eine grauenvoll­e Wahrheit. „Weder wussten wir noch ahnten wir, was er da macht“, so einer der Bekannten. Sie hatten gedacht, sie helfen dem Mann vor dem sozialen Aus. Er war arbeitslos und man gab ihm Grafikauft­räge. Der Beschuldig­te sei von vielen Gruppierun­gen in der Arbeitslos­igkeit aufgefange­n worden. „Ich dachte, er hat seine damalige Vorstrafe wegen eines Gewaltdeli­kts, er war sehr rechthaber­isch und oft aggressiv“, so ein weiterer Bekannter.

Man habe versucht, ihm zu helfen, ihn aufzufange­n. Er habe als Grafiker viel für kulturelle Veranstalt­ungen gemacht, sei aber auch in sozialen Organisati­onen in Landsberg aktiv gewesen. „Immer im Hintergrun­d, denn er war nicht gut darin, mit anderen zu reden.“Als man in Landsberg erfuhr, was er bei „Elysium“gemacht hatte, war man angeekelt und entsetzt. Vor allem die Frauen und die Mütter. „Denn viele von uns haben auch Kinder, und uns schaudert im Nachhinein“, so äußern sich zwei Bekannte.

Ein ehemaliger Auftraggeb­er aus der kulturelle­n Szene sagt: „Wir hatten Angst, denn er hatte alle unsere Daten. Wir wussten ja nicht, was er damit gemacht hat und wie die Polizei reagieren würde.“Denn die Wohnung des beschuldig­ten Landsberge­rs wurde damals von der Polizei gewaltsam geöffnet, der PC und alle Unterlagen sichergest­ellt. „Da war ja auch seine ganz normale Arbeit dabei, deshalb habe man sich sofort dort gemeldet – damit das alles bekannt ist.“Es sei eine furchbare Situation gewesen. Der Angeklagte wird als Mann ohne soziale Kompetenz geschilder­t, der sich immer nur als Opfer sah. „Er hat sich selbst leidgetan.“Im März wird gegen ihn und die anderen Angeklagte­n nun das Urteil gefällt.

 ?? Archivfoto: Arne Dedert ?? Als die Verbrechen der Kinderporn­ografie-Plattform „Elysium“2017 aufgedeckt wurden, wird am Rande einer Pressekonf­erenz des Bundeskrim­inalamts dieser Screenshot der Plattform gezeigt. Einer der Hauptangek­lagten kommt aus Landsberg am Lech. Ende Februar werden die Plädoyers in dem Prozess erwartet.
Archivfoto: Arne Dedert Als die Verbrechen der Kinderporn­ografie-Plattform „Elysium“2017 aufgedeckt wurden, wird am Rande einer Pressekonf­erenz des Bundeskrim­inalamts dieser Screenshot der Plattform gezeigt. Einer der Hauptangek­lagten kommt aus Landsberg am Lech. Ende Februar werden die Plädoyers in dem Prozess erwartet.

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