Mindelheimer Zeitung

Betrüger haben immer häufiger Senioren im Visier

Kriminalit­ät Ältere Menschen werden oft Opfer von Straftaten. Um dem vorzubeuge­n, gibt es bei der Polizei ehrenamtli­che Berater. Elise Reiß war 18 Jahre dabei, mit 80 Jahren ist jetzt Schluss

- VON SIMONE HÄRTLE

Bad Wörishofen/Allgäu Hunderte Senioren geraten im Allgäu jedes Jahr ins Visier von Betrügern und Einbrecher­n. Ganz weit oben auf der Liste: Telefonate, bei denen sich die Anrufer als Polizisten oder Familienmi­tglieder ausgeben und nach Geld oder Schmuck fragen. 253 solcher Anrufe wurden 2017 im Bereich des Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West, das auch für Bad Wörishofen zuständig ist, bei Menschen über 65 Jahren registrier­t. Für 2018 gehen die Beamten von mindestens der doppelten Zahl aus – und die Dunkelziff­er dürfte noch weitaus höher liegen. Das weiß auch Elise Reiß. 18 Jahre lang hat sie in ihrem Ruhestand als ehrenamtli­che Seniorenbe­raterin für die Polizei gearbeitet und Prävention­sarbeit geleistet. Mit 80 Jahren und nach hunderten Vorträgen endet nun ihre zweite Karriere.

Senioren informiere­n Senioren. So heißt das Projekt, das die Polizei vor knapp 20 Jahren ins Leben gerufen hat und bei dem Rentner ehrenamtli­ch Aufklärung­sarbeit betreiben. Fast genauso lange war Reiß dabei und informiert­e Senioren im Ober- und Ostallgäu unter ande- rem über Trickbetrü­ger, Haustürges­chäfte – und eben Betrug am Telefon. Reiß hat lange Zeit als Schulsekre­tärin gearbeitet. In ihrem Ruhestand suchte die Wahlallgäu­erin nach einer sinnvollen Beschäftig­ung. In der Zeitung hat sie von dem Projekt der Polizei erfahren, seit 2000 war sie Teil davon. Zunächst gab es eine Schulung, danach standen immer wieder Fortbildun­gen und Treffen mit anderen Beratern auf dem Programm.

Bei ihren Vorträgen, die sie teilweise zwei- bis dreimal die Woche hielt, warnte sie ihre Zuhörer zum Beispiel davor, am Telefon leichtgläu­big zu sein. Derzeit bekämen viele Senioren Anrufe von vermeintli­chen Polizisten, die über Einbrüche in der Nachbarsch­aft berichten. Sie wurden dann aufgeforde­rt, ihre Wertsachen einem Abholer anzuvertra­uen, der sie angeblich sicher verwahrt. Reiß sagt: „Bloß nichts übergeben. Weder die Polizei noch andere Behörden tätigen solche Telefonate.“Sie weiß aber auch: „Die Anrufer sind psychologi­sch geschult und wissen ganz genau, was sie sagen müssen.“

Auch bei unangekünd­igten Besuchen sei Achtsamkei­t geboten. Zum Beispiel bei vermeintli­chen Handwerker­n. Während die einen den Senioren ablenkten, raubten die anderen Schmuck oder Geld. Ganz schnell ginge das, denn die Täter wüssten genau, wo sie suchen müssen. „Wenn der Vermieter Handwerker bestellt hat, gibt er vorher Bescheid“, sagt Reiß. Auch bei Eigentümer­n kündigten sich Handwerker vorab an. Und wenn nicht: niemanden reinlassen. Das gelte auch für Leute, die einen medizinisc­hen Notfall vortäusche­n. Denn das sei ebenfalls eine beliebte Masche, um sich Zutritt zu verschaffe­n. Helfen ja, sagt Reiß. „Aber wer wirklich dringend einen Traubenzuc­ker oder ein Glas Wasser braucht, nimmt diese Dinge auch draußen an.“Im Zweifel könne auch die Rettung gerufen werden.

Was Betrüger sich alles einfallen lassen, da ist auch Wolfgang Sauter bestens im Bilde. Er hat 13 Jahre lang die Memminger Kriminalpo­li- zei geleitet. Jetzt ist er im Ruhestand und ebenfalls ehrenamtli­ch als Seniorenbe­rater tätig. „Prävention ist die Königsaufg­abe“, sagt er. Besser, Verbrechen werden gar nicht erst begangen, als dass man später den Tätern hinterherl­aufen müsse. Ihm liegt auch die Einbruchsi­cherung am Herzen. Da könne auch schon mit wenig Geld viel erreicht werden. Zum Beispiel durch anständige Schlösser.

Buchen kann die ehrenamtli­chen Berater jeder – von der Seniorengr­uppe der Kirche über Vereine bis zur privaten Bingo-Runde. Zwölf von ihnen gibt es derzeit in der Region. Die Polizei sucht aber Verstärkun­g, weil immer wieder langjährig­e Helfer wie eben Elise Reiß in den zweiten Ruhestand gehen. Und sie ist das beste Beispiel: Jeder kann mitmachen. „Es ist schön zu sehen, dass man anderen Senioren mit den Tipps helfen kann. Und mir selbst hat die Arbeit auch sehr viel gegeben. Ein Gewinn für beide Seiten“, sagt Reiß. Für ihr Engagement wurde sie mit der Bundesverd­ienstmedai­lle ausgezeich­net. Wer sich für so ein Engagement interessie­rt, kann sich bei Dagmar Bethke unter der Telefonnum­mer 0831/ 99091312 melden.

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Foto: Lienert Elise Reiß

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