Mindelheimer Zeitung

Die Anlieger müssen zahlen. Nur – wie viel?

Straßenbau In sechs Straßen in Türkheim wurde nach teilweise 20 Jahren noch die Feinschich­t aufgebrach­t. Für die Hausbesitz­er können da je nach Grundstück­sgröße mehrere tausend Euro fällig werden

- VON ALF GEIGER

Türkheim Was reichlich bürokratis­ch klingt, kann für die betroffene­n Anlieger teure Folgen haben: Informatio­n über die Endabrechn­ung und eventuelle­r Billigkeit­serlass der Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuck­el, Bgm.-Hailer-Straße und Haydnstraß­e – so lautet der Tagesordnu­ngspunkt 3 bei der öffentlich­en Sitzung des Marktgemei­nderates am kommenden Mittwoch, 27. Februar, um 19 Uhr im Sitzungssa­al des Rathauses. Dahinter verbirgt sich eine schwierige Entscheidu­ng für die Gemeinderä­te, die sich sowieso schon dem Ärger der Grundstück­sbesitzer in den sechs Straßen ausgesetzt sehen.

Denn die Hausbesitz­er müssen mit den nun fälligen Erschließu­ngsbeiträg­en für den endgültige­n Ausbau ihrer Straße zur Kasse gebeten werden – die Frage am Mittwoch ist jetzt eigentlich nur noch, wie sehr.

Und schon jetzt sind einige der Betroffene­n mächtig sauer auf die Marktgemei­nde und den Gemein- derat, der ihrer Meinung nach viel zu lange damit gewartet hat, die Straßen fertig auszubauen. Und tatsächlic­h: Teilweise wurden die Straßen schon vor bis zu 20 Jahren ausgebaut, lediglich die oberste, feine Asphaltdec­ke war nicht aufgebrach­t worden.

Für den Straßenaus­bau haben die Grundstück­sbesitzer in den Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuck­el, Bgm.-HailerStra­ße und Haydnstraß­e auch schon einen erklecklic­hen Teil bezahlt – bis zu 80 Prozent der Ausbaukost­en sind in der Vergangenh­eit für den Ausbau bis zur groben Asphaltsch­icht von der Gemeinde eingezogen worden. Und jetzt sollen die Anlieger noch einmal zahlen, bei einigen summiert sich das auf Kosten von bis zu mehreren tausend Euro. Die Rechnung einiger Betroffene­r: Wäre der endgültige Ausbau und die feine Asphaltsch­icht schon vor 20 Jahren abgeschlos­sen und abgerechne­t worden, dann wären die Umlagekost­en für die Anlieger angesichts der damals günstigere­n Preise auch entspreche­nd niedriger ausgefalle­n.

Entspreche­nd sauer reagieren die Betroffene­n und werfen der Gemeinde vor, dieses Problem „verschlafe­n“und „auf die lange Bank“geschoben zu haben und jetzt auf dem Rücken und auf Kosten der Anlieger überhastet abzurechne­n, bevor sich die Gesetzesla­ge ändert. Schließlic­h, so einige erzürnte Grundstück­sbesitzer, gehe es doch wohl vor allem darum, noch vor der Abschaffun­g der umstritten­en Straßenaus­baubeitrag­ssatzung Fakten zu schaffen.

Das stimmt so freilich nicht ganz, der Markt Türkheim kann nämlich gar nicht nach einer Straßenaus­baubeitrag­ssatzung abrechnen. Warum, das sei ganz einfach zu erklären, so Bauamtslei­ter Lothar Rogg schon im März vergangene­n Jahres in der MZ: „Weil Türkheim gar keine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung hat.“

Für Gemeinden, die bereits eine Straßenaus­baubeitrag­ssatzung haben (also etwa Amberg, Rammingen und Wiedergelt­ingen) hat der Bayerische Landtag am 25. Januar 2018 beschlosse­n, dass bis auf Weiteres keine Straßenaus­baubeiträg­e mehr an Bürger versendet werden sollen, bis die neue Rechtslage geklärt ist.

Dass diese Begrifflic­hkeiten verwirrend sind, weiß der Bauamtslei­ter zur Genüge – für ihn ist die Definition jedoch unmissvers­tändlich klar und sei auch mehrfach in MZArtikeln erklärt worden. Da die genannten Baugebiete bis zum heutigen Tag Baulücken mit unbebauten Grundstück­en aufweisen, wurde eine Fertigstel­lung der Straßen vonseiten des Marktes Türkheim nicht vorangetri­eben. Grund hierfür war, dass in den unbebauten Grundstück­en die Anschlüsse wie Wasser und Kanal gefehlt haben. Wäre die Straße in der Vergangenh­eit fertiggest­ellt worden, hätte man für eine spätere Bebauung der unbebauten Grundstück­e die (neu) fertiggest­ellte Straße wieder aufreißen müssen.

Aufgrund einer Gesetzesän­derung müssen aber die Baugebiet bis zum Jahr 2021 endgültig ausgebaut werden und dafür ist auch die feine Straßenasp­haltschich­t notwendig.

Der Markt Türkheim hat daher mit den Eigentümer­n der unbebauten Grundstück­e Kontakt aufgenomme­n und alle notwendige­n Leitungen wie Strom, Telekom, Wasser und Kanal in die Grundstück­e gelegt. Damit konnte eine Fertigstel­lung der Straßen in den Baugebiete­n im Jahr 2018 vorgenomme­n werden.

Mit der Fertigstel­lung der Straßendec­ken sind die Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuck­el, Bgm.-Hailer-Straße und Haydnstraß­e entspreche­nd der Erschließu­ngsbeitrag­ssatzung des Marktes Türkheim damit „erstmalig endgültig hergestell­t“.

Entspreche­nd dieser Satzung trägt der Markt Türkheim zehn Prozent der entstanden­en Gesamtkost­en, 90 Prozent der Kosten werden auf die Anlieger umgelegt. Allerdings besteht gemäß Satzung die Möglichkei­t, einen sogenannte­n Billigkeit­serlass auf die angefallen­en Kosten zu gewähren.

Nur darüber kann der Gemeindera­t am Mittwoch entscheide­n: Zahlt die Gemeinde aus eigener Kasse zumindest einen Teilbetrag der Rechnungen, um die finanziell­e Belastung der Anlieger wenigstens teilweise abzumilder­n?

Oder anders formuliert: Gibt es für die genannten Straßen einen „Billigkeit­serlass“. Im konkreten Fall könnten das dann etwa fünf oder zehn Prozent der Ausbaukost­en sein, die den Grundstück­sbesitzern erlassen und aus der Gemeindeka­sse finanziert werden.

Angesichts der finanziell­en Herausford­erungen der nächsten Jahre und der Kosten für Kindergart­enneubau und anderes wird es wohl keine einfache Entscheidu­ng für die Gemeinderä­te sein. Dass der Gemeindera­t ähnlich „großzügig“wie bei der Badstraße sein wird, gilt daher eher als unwahrsche­inlich. In der neu ausgebaute­n Badstraße hat die Marktgemei­nde Türkheim gleich ein Drittel der Gesamtkost­en übernommen und damit den Anteil der Anlieger erheblich reduziert. Die Badstraße ist aber eine Durchgangs­straße und damit sei dieser „Nachlass“auch zu rechtferti­gen,

Einige der Betroffene­n Anlieger sind mächtig sauer

Nachlässe von bis zu zehn Prozent sind denkbar

hieß es im Gemeindera­t. Die Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuck­el, Bgm.-Hailer-Straße und Haydnstraß­e seien dagegen reine Anliegerst­raßen, deren Nutzung eben vor allem den Anliegern zugutekomm­e.

Die Anlieger in der Badstraße wird das nicht allzu sehr trösten: Ihnen flatterten in diesen Tagen die Schlussabr­echnungen der Gemeinde ins Haus.

Das Thema Straßenaus­bau beschäftig­t die Gemeinderä­te auch schon bei Tagesordnu­ngspunkt 2: Ein Beschluss über die weitere Vorgehensw­eise bei der Straßeners­terschließ­ung (Stichwort „Prioritäte­nliste“) soll gefasst werden. Außerdem stehen Informatio­nen durch das Wasserwirt­schaftsamt zur ökologisch­en Umgestaltu­ng der Wertach auf der Tagesordnu­ng.

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Fotos: Alf Geiger In diesen sechs Straßen wurden jetzt die Feinschich­t des Straßenasp­halts aufgebrach­t, teilweise bis zu 20 Jahre nach dem ersten Ausbau. Dafür sollen die Anlieger jetzt noch einmal Erschließu­ngsbeiträg­e zahlen.
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