Hier werden täglich tausend tote Tiere verarbeitet
Anlage Wie die Tierkörperbeseitigung in Kraftisried arbeitet, warum die Erlöse sinken und was das mit dem US-Präsidenten zu tun hat
Kraftisried Um die toten Tiere kommt man natürlich nicht herum. Dass man die Geschichte über die Kraftisrieder Tierkörperbeseitigungsanstalt (TBA) aber kaum erzählen kann, ohne Donald Trump und das Henkershandwerk zu erwähnen, überrascht zumindest.
Doch der Reihe nach: Das Gelände der TBA liegt nahe der Bundesstraße 12, westlich des Kraftisrieder Ortsteils Schweinlang. Geschäftsführer Rainer Berndt empfängt Besucher im Besprechungsraum im ersten Stock des Verwaltungstraktes. Der 57-Jährige ist ein freundlicher, offener Mann. Seit dem Jahr 2007 betreibt die Berndt GmbH die TBA in Kraftisried als Pächter. Im vergangenen Jahr hat die TBA hier 42 000 Tonnen Tierkörper verarbeitet ( siehe Infokasten). Das entspricht den Kadavern und Überresten von 470 000 Tieren.
Jeden Morgen um 8 Uhr schwärmen insgesamt 24 Spezialfahrzeuge aus und sammeln verendete Rinder, Schweine, Pferde, Ziegen oder Hühner von landwirtschaftlichen Betrieben ein. Dazu kommen Abfälle von vier Schlachthöfen. „Das ist eine enorme logistische Herausforderung“, sagt Berndt. Um die Touren der Lkw zu optimieren, hat das Unternehmen vor zwei Jahren eine spezielle EDV installiert, die automatisch die beste Route berechnet. Das Einzugsgebiet der TBA Kraftisried umfasst nahezu den gesamten Regierungsbezirk Schwaben, dazu sieben oberbayerische Landkreise.
Kommen die Lkw mit ihrer Fracht in Kraftisried an, läuft die weitere Verarbeitung weitgehend automatisiert ab. Die Kadaver und Schlachtabfälle werden zerkleinert und unter hohem Druck eine Stunde lang auf 133 Grad erhitzt. Es entsteht ein Brei, der getrocknet und dem Fett entzogen wird. Das aufbereitete Fett kann zur Produktion von Biodiesel verwendet werden. Übrig gebliebene Feststoffe werden zu einem
braunen Pulver gemahlen, das in der Zement-Industrie als Ersatzbrennstoff zum Einsatz kommt. „Das Pulver hat einen vergleichbaren Brennwert wie Kohlenstaub“, sagt Berndt. Tiermehl und Fett sind zwei von drei Produkten der TBA. Dazu kommen die Häute von Rindern und Kälbern, die der Produktion von Schuhen oder Autositzen dienen.
Doch hat die TBA beim Verkauf ihrer Produkte im vergangenen Jahr
weniger verdient als geplant. Beim Tierfett musste die TBA Einbußen von etwa einem Drittel hinnehmen. Und an dieser Stelle kommt Donald Trump ins Spiel. „Die Trump’sche America-First-Politik ist der Grund, warum die Einnahmen stark zurückgingen“, sagt Berndt.
Um die Biodiesel-Hersteller in den USA zu schützen, wurde Diesel aus Südamerika (vor allem aus Argentinien) mit Strafzöllen belegt, erklärt
Berndt. Südamerikanische Produzenten wiederum erhielten in ihren Heimatländern Subventionen. Statt mit den USA zu konkurrieren, lieferten sie ihre Produkte nach Europa – wo aufgrund des größeren Angebots die Preise sanken. „So etwas lässt sich schwer vorhersehen“, sagt Berndt.
Und auch der Absatz von Tiermehl lief eher zäh. Nachdem in Deutschland mehr Klärschlamm verbrannt werden muss, greifen Ze-
mentwerke verstärkt auf diese Produktkategorie zurück. „Das Tiermehl konkurriert mit dem Klärschlamm“, sagt Berndt. Diese Situation sorgt für geringere Erlöse. Insgesamt verzeichnete die TBA Kraftisried laut Berndt im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwa acht Millionen Euro.
Die Berndt GmbH besitzt in Südbayern noch vier weitere eigene Standorte. Die TBA Kraftisried ist gepachtet. Eigentümer der Tierkörperbeseitigungsanstalt mit Immobilie und Maschinen ist der Zweckverband. Der Pachtvertrag läuft noch weitere acht Jahre, danach gibt es für beide Seiten eine Option auf fünf Jahre Verlängerung. „Nach jetzigem Stand würden wohl beide Parteien verlängern“, sagt Berndt.
Weil die zu verarbeitenden Mengen für die Beseitigungsbetriebe insgesamt sinken, hat Berndt bereits einmal laut über den Zusammenschluss von Anlagen nachgedacht. Das Ostallgäu ist in diesen Gedankenspielen aber außen vor. „Kraftisried ist als Standort gesetzt“, sagt Berndt. Die große Menge der hier anfallenden Tierkörpern könne man gar nicht woanders hin verlagern.
Im Jahr 2001 hatten sich etliche Kraftisrieder Bürger massiv über den Gestank aus der Anlage beschwert. Laut Rainer Berndt sind dies aber Probleme, die der Vergangenheit angehören. Die Anlage sei in sich geschlossen und was entweichen könne, werde abgesaugt und der Geruch mit Biofilter unschädlich gemacht. „Saubere Luft für die Anwohner ist ein wesentliches Kriterium für gute Nachbarschaft“, sagt Berndt. Lediglich die Mitarbeiter der Tierkörperbeseitigungsanstalt könne man nicht ganz abschirmen. „Geruchsfrei funktioniert das Ganze leider nicht.“
Rainer Berndt ist in den 80er Jahren in das Geschäft eingestiegen, das damals noch sein Vater und sein Onkel leiteten. Seit 2003 steht er selbst an der Spitze des Unternehmens, das im nächsten Jahr 175-jähriges Bestehen feiert. Seine Vorfahren waren Henker und Abdecker. „Berufe, die vom Image damals nicht so richtig super waren“, sagt Berndt und lacht. Der Großvater betrieb die städtische Abdeckerei in Erfurt, bevor er Anfang der 1940er Jahre nach Oberbayern ging, wo sich noch heute in Oberding der Stammsitz des Unternehmens befindet.
Vorbehalte gegen seinen Beruf hat Berndt nur einmal zu spüren bekommen. Zu Hochzeiten der BSE-Krise wurden seine Kinder in der Schule angegangen. Berndt ist reingewachsen in die Branche, er sieht es pragmatisch: Einer muss den Job ja machen. „Und wir tun dies professionell auf technisch hohem Niveau.“