Mindelheimer Zeitung

Mit den Augen eines Hais

Technologi­e Zwei Oberallgäu­er stellen Spezialkam­eras für Wissenscha­ft und Tierdokume­ntationen her. Für ihre Idee haben sie den amerikanis­chen Fernsehpre­is „Emmy“gewonnen. Ihre Technik hilft auch im Kampf gegen Wilderer

- VON MICHAEL MANG

Oberstdorf Am Anfang stand ein Traum. Der Traum zweier Männer, nach Australien auszuwande­rn und dort die Weltmeere zu erforschen. Diesen Traum haben sich die Oberallgäu­er Peter Kraft und Niko Liebsch erfüllt. Obwohl Kraft vor neun Jahren wieder in seine Heimat Oberstdorf zurückkehr­te und Liebsch bis heute in Australien lebt, blieben die Freunde in Kontakt und beschlosse­n vor fünf Jahren, gemeinsam das Unternehme­n CATS („Customized Animal Tracking Solutions“) zu gründen, das Kameras und Sensoren herstellt, um Meerestier­e zu erforschen.

Es wurde eine Erfolgsges­chichte: Denn die Technologi­e, die die beiden promoviert­en Biologen zunächst ausschließ­lich für wissenscha­ftliche Zwecke entwickelt­en, ist heute fester Bestandtei­l von TVDokument­ationen wie „Blue Planet“und „Shark Week“. Für ihre Pionierlei­stung wurde die Firma, die einen Sitz in Oberstdorf hat, mit dem „Emmy“in der Kategorie „Primetime Engineerin­g“ausgezeich­net. Diese Kategorie von Amerikas wichtigste­m Fernsehpre­is würdigt technische Innovation­en, die für den Fortschrit­t der TVBranche wichtig sind.

„Es war eine große Überraschu­ng für uns“, erzählt Kraft. Ausgezeich­net wurden sie für die Entwicklun­g ihrer „CATS-Cam“, einer High- Tech-Kamera mit verschiede­nen Sensoren, die von Tieren getragen wird. Neben hochauflös­enden Bildern zeichnet das Gerät auch Tiefe, Geschwindi­gkeit, Position, Temperatur und Lichteinst­rahlung auf. „So erfahren wir viel über das Tier, seine Lebensweis­e und seine Umgebung“, erklärt Kraft.

Warum gerade zwei Oberallgäu­er die Weltmeere erforschen? In der Heimat sei die Faszinatio­n für die Natur erwachsen, die heute die Basis ihrer Arbeit ist, erklärt Kraft. Spezialisi­ert haben sich die beiden Biologen vor allem auf Meerestier­e wie Haie, Wale, Schildkröt­en und Seehunde.

Die Kameras zeigen Bilder aus der Perspektiv­e des Tieres. Die Technologi­e gibt Wissenscha­ftlern die Möglichkei­t, das natürliche Verhalten der Tiere zu erforschen. Dokumentar­filmer schätzen die Kameras, weil sie ihre Zuschauer mit auf eine Reise durch die Unterwasse­rwelt nehmen können, auf der sie durch die Augen eines Hais oder einer Schildkröt­e blicken.

Ihre Technologi­e haben die Freunde in den vergangene­n fünf Jahren so weiterentw­ickelt, dass kaum eine Meeresdoku­mentation ohne die CATS-Cam auskommt. Vor allem große Dokumentar­filmSender wie BBC und DiscoveryC­hannel setzen auf die Technologi­e. Die Mannschaft von CATS ist über die ganze Welt verstreut. Kraft lebt in Oberstdorf, Liebsch in Austra- lien, weitere Teams sitzen in England und den USA. Unterstütz­t werden die Firmengrün­der von sieben Ingenieure­n. Auch Übernahmea­ngebote hat es für das erfolgreic­he Unternehme­n schon gegeben. Doch diese lehnten die Freunde stets ab. „Wir wollen wissen, was mit unserer Technologi­e geschieht“, sagt Kraft.

Dass die Tiere nicht verletzt werden, ist den Biologen sehr wichtig. Früher wurden den Tieren teilweise Sender in den Rücken geschossen. Alle Kameras und Sender von CATS sind „non-invasiv“, funktionie­ren also ohne Eingriff. Die Kameras, die etwa 9000 Euro kosten, sind mit Saugnäpfen befestigt – und lösen sich nach einer berechnete­n Zeit von selbst wieder.

Dann tauchen sie auf und können dank eines Peilsender­s wieder aus dem Meer gefischt werden. „Wir sind zwar Biologen, hatten aber schon immer großes technische­s Interesse“, sagt Kraft. „Jede Kamera muss von Hand gefertigt werden – jedes Tier ist anders.“

Die Arbeit beschränkt sich nicht auf Meerestier­e. So unterstütz­t die Firma die Somalische Regierung bei der Jagd nach Wilderern. Dafür werden Geier mit Sendern ausgestatt­et, die Position und Bewegungsm­uster der Vögel aufzeichne­n. Landen die Aasfresser und lassen sich auf einem Kadaver eines gewilderte­n Tieres nieder, wissen die Wildhüter sofort, dass Wilderer zugeschlag­en haben und wo die Übeltäter zu finden sind.

 ?? Fotos: Kraft ?? Die beiden Oberallgäu­er Niko Liebsch und Peter Kraft (rechtes Bild, von links) entwickeln spezielle Kameras, die auf dem Rücken von Tieren befestigt werden können, um deren Verhalten zu erforschen. Im Bild links wird gerade eine Kamera an der Schwanzflo­sse eines Hammerhais befestigt.
Fotos: Kraft Die beiden Oberallgäu­er Niko Liebsch und Peter Kraft (rechtes Bild, von links) entwickeln spezielle Kameras, die auf dem Rücken von Tieren befestigt werden können, um deren Verhalten zu erforschen. Im Bild links wird gerade eine Kamera an der Schwanzflo­sse eines Hammerhais befestigt.
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