Mit den Augen eines Hais
Technologie Zwei Oberallgäuer stellen Spezialkameras für Wissenschaft und Tierdokumentationen her. Für ihre Idee haben sie den amerikanischen Fernsehpreis „Emmy“gewonnen. Ihre Technik hilft auch im Kampf gegen Wilderer
Oberstdorf Am Anfang stand ein Traum. Der Traum zweier Männer, nach Australien auszuwandern und dort die Weltmeere zu erforschen. Diesen Traum haben sich die Oberallgäuer Peter Kraft und Niko Liebsch erfüllt. Obwohl Kraft vor neun Jahren wieder in seine Heimat Oberstdorf zurückkehrte und Liebsch bis heute in Australien lebt, blieben die Freunde in Kontakt und beschlossen vor fünf Jahren, gemeinsam das Unternehmen CATS („Customized Animal Tracking Solutions“) zu gründen, das Kameras und Sensoren herstellt, um Meerestiere zu erforschen.
Es wurde eine Erfolgsgeschichte: Denn die Technologie, die die beiden promovierten Biologen zunächst ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke entwickelten, ist heute fester Bestandteil von TVDokumentationen wie „Blue Planet“und „Shark Week“. Für ihre Pionierleistung wurde die Firma, die einen Sitz in Oberstdorf hat, mit dem „Emmy“in der Kategorie „Primetime Engineering“ausgezeichnet. Diese Kategorie von Amerikas wichtigstem Fernsehpreis würdigt technische Innovationen, die für den Fortschritt der TVBranche wichtig sind.
„Es war eine große Überraschung für uns“, erzählt Kraft. Ausgezeichnet wurden sie für die Entwicklung ihrer „CATS-Cam“, einer High- Tech-Kamera mit verschiedenen Sensoren, die von Tieren getragen wird. Neben hochauflösenden Bildern zeichnet das Gerät auch Tiefe, Geschwindigkeit, Position, Temperatur und Lichteinstrahlung auf. „So erfahren wir viel über das Tier, seine Lebensweise und seine Umgebung“, erklärt Kraft.
Warum gerade zwei Oberallgäuer die Weltmeere erforschen? In der Heimat sei die Faszination für die Natur erwachsen, die heute die Basis ihrer Arbeit ist, erklärt Kraft. Spezialisiert haben sich die beiden Biologen vor allem auf Meerestiere wie Haie, Wale, Schildkröten und Seehunde.
Die Kameras zeigen Bilder aus der Perspektive des Tieres. Die Technologie gibt Wissenschaftlern die Möglichkeit, das natürliche Verhalten der Tiere zu erforschen. Dokumentarfilmer schätzen die Kameras, weil sie ihre Zuschauer mit auf eine Reise durch die Unterwasserwelt nehmen können, auf der sie durch die Augen eines Hais oder einer Schildkröte blicken.
Ihre Technologie haben die Freunde in den vergangenen fünf Jahren so weiterentwickelt, dass kaum eine Meeresdokumentation ohne die CATS-Cam auskommt. Vor allem große DokumentarfilmSender wie BBC und DiscoveryChannel setzen auf die Technologie. Die Mannschaft von CATS ist über die ganze Welt verstreut. Kraft lebt in Oberstdorf, Liebsch in Austra- lien, weitere Teams sitzen in England und den USA. Unterstützt werden die Firmengründer von sieben Ingenieuren. Auch Übernahmeangebote hat es für das erfolgreiche Unternehmen schon gegeben. Doch diese lehnten die Freunde stets ab. „Wir wollen wissen, was mit unserer Technologie geschieht“, sagt Kraft.
Dass die Tiere nicht verletzt werden, ist den Biologen sehr wichtig. Früher wurden den Tieren teilweise Sender in den Rücken geschossen. Alle Kameras und Sender von CATS sind „non-invasiv“, funktionieren also ohne Eingriff. Die Kameras, die etwa 9000 Euro kosten, sind mit Saugnäpfen befestigt – und lösen sich nach einer berechneten Zeit von selbst wieder.
Dann tauchen sie auf und können dank eines Peilsenders wieder aus dem Meer gefischt werden. „Wir sind zwar Biologen, hatten aber schon immer großes technisches Interesse“, sagt Kraft. „Jede Kamera muss von Hand gefertigt werden – jedes Tier ist anders.“
Die Arbeit beschränkt sich nicht auf Meerestiere. So unterstützt die Firma die Somalische Regierung bei der Jagd nach Wilderern. Dafür werden Geier mit Sendern ausgestattet, die Position und Bewegungsmuster der Vögel aufzeichnen. Landen die Aasfresser und lassen sich auf einem Kadaver eines gewilderten Tieres nieder, wissen die Wildhüter sofort, dass Wilderer zugeschlagen haben und wo die Übeltäter zu finden sind.