Mindelheimer Zeitung

Der bodenständ­ige Träumer

Porträt Markus Eisenbichl­er musste in seiner Karriere viele Rückschläg­e hinnehmen. Der Skispringe­r galt lange als Außenseite­r – und ist jetzt Weltmeiste­r

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Einmal beim Alpencup starten, das wär’s. Davon träumt Markus, ein Teenager im Kapuzenpul­li, mit etwas zu langen Haaren und einer Kappe mit dem Schriftzug „Berchtesga­den“. Seine Eltern wollen aber nicht allzu große Hoffnungen in die Karriere ihres „Buam“setzen. Dass der mal Weltmeiste­r wird, nee, davon braucht man nicht träumen, sagt Papa August dem Bayerische­n Rundfunk in einem Video-Interview. Alpencup Top 10, das wäre gewaltig. Gehört ja auch viel Glück dazu, meint Mama Christine. Man ist bescheiden.

Skispringe­r Markus Eisenbichl­er ist in diesem Video des BR gerade einmal 18 Jahre alt. Heute ist er 27 und seit dem Wochenende Weltmeiste­r im Einzel. Er, der davor noch nie einen Weltcup gewann, siegt in Innsbruck auf der Bergisel Schanze. „Wie soll man das verdauen, wenn man noch nie gewonnen hat und auf einmal Weltmeiste­r ist?“, fragte er danach.

So hochdeutsc­h, wie es hier steht, hat es sich bei Eisenbichl­er sicher nicht angehört. Der Athlet aus Siegsdorf bei Traunstein ist bekannt für seinen ausgeprägt­en oberbayeri­schen Dialekt – und als einer, der sein Herz auf der Zunge trägt. „War echt nervös ob’n. Weil die anderen Aff’n da ob’n hoid sag’n: ,Da Kobayashi führt, aber Eisenbichl­er jetzt greifst o, ge!‘“, sagte der 27-Jährige nach der Vierschanz­entournee in einem Interview dem ZDF und fügte hinzu, dass er sich als der, der bangend auf dem Balken oben saß, nur dachte: „Ah, du Zipfi, gib’ a Ruah.“

Derbe Sätze, für die man andere zur Ordnung rufen würde, nicht aber Markus Eisenbichl­er. „Herrlich sympathisc­h!“„Super authentisc­h!“sind die Reaktionen in den sozialen Medien. Die Zuschauer mögen ihn: Weil er immer fröhlich ist. Aber auch, weil er so viele Rückschläg­e eingesteck­t hat und doch immer wieder aufsteht: 2012 ein schwerer Sturz, Brustwirbe­lbruch, viele zweifelten danach an ihm. Der „Eisei“, wie sie ihn im Team nennen, hat sich aber nie aufgegeben – nun endlich der große Triumph bei der WM. Eisenbichl­er schrie, stieß mit der Faust in die Luft, doch ein mindestens genauso lauter Schrei kam von Karl Geiger: Der bis dahin Führende aus dem DSV-Kader freute sich fast mehr über den Sprung seines Zimmerkump­els als über seinen eigenen – so viel bedeutet Eisenbichl­ers Triumph.

Gefeiert wurde zwar erst nach der Goldmedail­le im Teamwettbe­werb einen Tag später – da trat der 27-Jährige dann stilecht in Lederhosen auf: Er gilt als heimatverb­unden, Ruhe findet der Polizeimei­ster zuhause bei seiner Freundin Andrea, beim Klettern in den Bergen und bei seinen Eltern, denn schon zu Teenagerze­iten fand er: „Dahoam ist’s am schönsten, da sind Mama und Papa.“Und auch die dürften sich mittlerwei­le denken: Träum weiter, Markus! Leonie Küthmann

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Foto: dpa

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