Großzügigkeit versus Gerechtigkeit
Die „Strabs“und die „Strebs“bereiten den Räten auch in Türkheim seit Monaten Kopfzerbrechen. Jetzt soll damit Schluss sein – die Anlieger können sich freuen
Türkheim 24 000 Euro für den TV Türkheim als Zuschuss zu längst überfälligen Sanierungsmaßnahmen in der TV-Halle? Genehmigt. 13 750 Euro für den ESV Türkheim, der die Duschkabinen im Altbau des Stadions saniert? Genehmigt. Die Hälfte der Kosten für den Endausbau in den Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuckel, Bürgermeister-Hailer-Straße und Haydnstraße in Höhe von rund 100 000 Euro? Genehmigt.
In der Sitzung am Mittwoch hatte der Türkheimer Gemeinderat offenbar die Spendierhosen an. Auch bei der weiteren Vorgehensweise bei der Abrechnung von Straßenausbauund -erschließungsbeiträgen zeigten sich die Kommunalpolitiker großzügig und zogen einen wohl endgültigen Schlussstrich unter die Diskussionen um „Strabs“und „Strebs“.
Die Anlieger der laut „Strebs“noch abrechnungsfähigen elf Straßen der umstrittenen „Prioritätenliste – allen voran die Straße „Am Brandlfeld“– müssen sich also keine Sorgen mehr über zusätzliche Kosten für den noch nicht erledigten endgültigen Ausbau ihrer Straße machen. Und, weil dies ja auch eine Frage der Gerechtigkeit sei, wird gleich auch die mühsam ausgearbeitete „Prioritätenliste“mit den elf noch abrechnungsfähigen Straßen wieder in den Schubladen verschwinden: Stapfenteilweg, Keltenweg, Brandlfeld, Höllweberweg, Schulstraße, Schelmengriesstraße (teilweise), Mühlenstraße (teilweise), Kohlstattweg, Gärtnerweg, Gernerweg und die Eschlefeldstraße – keine dieser Straßen soll jetzt ausgebaut werden und dieser Ausbau dann zumindest teilweise auf die Anlieger umgelegt werden, beschloss der Gemeinderat.
Denn mehr als der Ausbau „Am Brandlfeld“sei schon organisatorisch nicht zu stemmen – und warum dann ausgerechnet das Brandlfeld ausbauen, die anderen zehn möglichen Straßen aber nicht? Aus diesem Dilemma sah der Gemeinderat mehrheitlich keinen Ausweg und legte die gesamte „Prioritätenliste“zu den Akten – gegen die Stimmen der SPD und Grünen, die sich mehr Gerechtigkeit davon versprochen hätten, doch noch so viele Straßen wie möglich bis zum Stich- tag 1.4.2021 auszubauen und von den Anliegern dann – so wie bei allen anderen Anliegern von ausbaufähigen Straßen, etwa in Neubaugebieten auch – den Anliegeranteil in Höhe von 90 Prozent der Gesamtkosten zu kassieren. Mit 14:6-Stimmen entschied sich der Gemeinderat aber gegen einen möglichen Ausbau – nicht ohne den Hinweis an die betroffenen Grundstücksbesitzer, dass dies dann auch für einen „längeren Zeitraum“so bleiben werde.
Auf jeden Fall noch etwas nachzahlen müssen die Anlieger in den sechs Straßen Änger, Untere Änger, Fuchsweg, Am Katzenbuckel, Bürgermeister-Hailer-Straße und Haydnstraße , die noch im vergangenen Herbst eine feine Asphaltschicht bekommen und damit endgültig fertiggestellt worden sind
Nur – wie viel? Für den Straßenausbau hatten die Grundstücksbesitzer schon einen erklecklichen Teil bezahlt – bis zu 80 Prozent der Ausbaukosten sind in der Vergangenheit für den Ausbau bis zur groben Asphaltschicht von der Gemeinde eingezogen worden. Nun müssen die Anlieger noch einmal blechen, bei einigen summiert sich das auf Kosten von bis zu mehreren tausend Euro. Die Betroffenen reagierten entsprechend sauer und kündigten in einigen geharnischten Schreiben ans Rathaus auch entsprechenden juristischen Widerstand an. Die Rechnung einiger Betroffener: Wäre der endgültige Ausbau und die feine Asphaltschicht schon vor 20 Jahren abgeschlossen und abgerechnet worden, dann wären die Umlagekosten für die Anlieger angesichts der damals günstigeren Preise auch entsprechend niedriger ausgefallen.
Und das sieht auch die deutliche 18:2-Mehrheit im Türkheimer Gemeinderat so und stimmte daher dem Vorschlag der Verwaltung zu, die Hälfte der Gesamtkosten von rund 200 000 Euro aus der Gemeindekasse zu zahlen. Dies sei ein „guter Vorschlag“, fasste FW-Fraktionschef Otto Rinninger zusammen und auch Bauamtsleiter Lothar Rogg verwies darauf, dass die Verwaltung hier durchaus „großzügig gerechnet“habe, um den 63 betroffenen Grundstücksbesitzern so weit wie möglich entgegenkommen zu können. Gegen diesen Vorschlag stimmten die beiden Grünen-Räte Gudrun Kissinger-Schneider und Rudolf Mendle, die es auch in diesen Fällen für gerechter gehalten hätten, die Beiträge wie in den später gebauten Straßen anteilsmäßig abzurechnen.
„Das ist ein guter Vorschlag.“FW-Fraktionschef Otto Rinninger