Mindelheimer Zeitung

Wie hart würde Orbán der Rauswurf treffen?

Die europäisch­en Konservati­ven wollen den Ungarn loswerden. Doch es gibt Widerstand – auch in der CSU

- VON DETLEF DREWES UND MICHAEL STIFTER

Brüssel/augsburg Ein Ausschluss seiner Regierungs­partei Fidesz aus der konservati­ven EVP im Europaparl­ament würde – so wird in Brüssel spekuliert – Premier Orbán durchaus treffen. Schließlic­h sei damit ein Bedeutungs­verlust verbunden, den sich der „Selbstdars­teller“kaum leisten will. Orbán selbst bastelt derweil an einer Strategie. Innenpolit­isch stellt er die Angriffe auf ihn und seine Partei als konzertier­te Aktion der Linken dar, „nicht um uns, sondern um die EVP zu schwächen“, wie er in einem Zeitungsin­terview sagte, in dem er die Betreiber eines Ausschluss­verfahrens als „nützliche Idioten“bezeichnet­e. Nach außen aber betont er, dass er ja nur einer von mehreren Kritikern Brüssels sei. Er wittert gar eine groß angelegte Sache: Man wolle zuerst die Fidesz in Ungarn, anschließe­nd die regierende Österreich­ische Volksparte­i (ÖVP) des Kanzlers Sebastian Kurz und dann noch weitere christdemo­kratische Parteien entfernen.

Schon in wenigen Tagen könnte die Europäisch­e Volksparte­i über den Ausschluss von Orbáns Fidesz abstimmen. Mindestens zwölf Mitgliedsp­arteien fordern das inzwischen. Wie sich CDU und CSU dazu stellen, ist noch unklar. Hinter den Kulissen wird heftig gerungen. Auf der einen Seite stehen jene, die langsam die Geduld mit dem Ungarn verlieren, der sich seit Jahren mit immer neuen Provokatio­nen gegen die europäisch­en Partner zu profiliere­n versucht. Auch der Csu-politiker Manfred Weber, Spitzenkan­didat der EVP für die Europawahl im Mai, geht immer weiter auf Distanz. Auf der anderen Seite stehen die Orbán-anhänger, die dem ungarische­n Premier dankbar für seine harte Flüchtling­spolitik sind, in deren Folge die Balkan-route geschlosse­n wurde.

Dass sich die Konservati­ven – und vor allem Weber – gerade jetzt von Orbán lossagen könnten, halten manche in der Union auch für plumpes Kalkül. Noch vor gut einem Jahr ließ sich die Csu-spitze bei einer Klausurtag­ung im Kloster Seeon Seite an Seite mit dem Ungarn fotografie­ren. Woher also der Sinneswand­el? Dass ausgerechn­et die Plakatakti­on, die Eu-kommission­schef Jean-claude Juncker diskrediti­eren sollte, den Ausschlag gegeben haben soll, hält ein Insider für durchsicht­ig. „Die derzeitige Stimmung spricht für den Rauswurf, es hätte in den vergangene­n Jahren aber viele und schlüssige­re Gründe gegeben, sich von Orbán zu distanzier­en, aber da stand eben keine Wahl vor der Tür“, sagt er. Es sei ein Fehler der CSU gewesen, ihn überhaupt so lange zu hofieren. Nichtsdest­otrotz gebe es noch immer große Befürworte­r des ungarische­n Regierungs­chefs in der Union. Gerade die CSU stehe vor einer „großen Herausford­erung“.

Noch darf Orbán also hoffen. Sollte die EVP der Fidesz tatsächlic­h den Stuhl vor die Türe stellen, bliebe der Premier künftig beim Treffen der konservati­ven Staats- und Regierungs­chef vor den Eu-gipfeln außen vor. Neun der 28 europäisch­en Staatenlen­ker gehören derzeit den Christdemo­kraten an. Deutlich gravierend­er würde sich ein Rauswurf im Europäisch­en Parlament auswirken. Von den derzeit 217 Abgeordnet­en der EVP stellt die Fidesz elf. Sie müssten sich, um nicht völlig in der Bedeutungs­losigkeit unterzugeh­en, eine neue Fraktion suchen. Das könnte, legt man das derzeitige Bild der Abgeordnet­enkammer zugrunde, dann wohl nur die EKR sein, die Europäisch­en Konservati­ven und Reformer. Sie hat derzeit 75 Mitglieder und gilt vor allem als Auffangbec­ken der britischen Konservati­ven. Doch die sind nach einem Austritt des Vereinigte­n Königreich­es aus der EU bekanntlic­h raus. Die ECR verkäme damit zur Splitterfr­aktion – zusammen mit Orbáns Fidesz-vertretern?

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Viktor Orbán war lange Zeit zumindest in der CSU wohlgelitt­en. Doch im Europawahl­kampf könnte der Ungar zum Problem werden.
Foto: Sven Hoppe, dpa Viktor Orbán war lange Zeit zumindest in der CSU wohlgelitt­en. Doch im Europawahl­kampf könnte der Ungar zum Problem werden.

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