Mindelheimer Zeitung

Schatzkist­e in Buchform

Judith Schalansky­s neuer Erzählband

- (rim)

Verborgene­s und Vergessene­s präsentier­t die Schriftste­llerin und Buchgestal­terin Judith Schalansky ihren Lesern. Ein „Verzeichni­s einiger Verluste“hat sie erstellt. Sie erzählt von dem, was einmal war und nicht mehr ist. Dabei geht sie von zwölf tatsächlic­hen Gegebenhei­ten aus. Schalansky führt eingangs immer knapp den Sachverhal­t aus und setzt dann als Erzählerin ein. Ein Unterfange­n, bei dem sie formal streng vorgeht, jedes Kapitel ist gleich lang, wie in einem Archiv, in dem die Archivalie­n in gleich großen Kisten lagern. Getrennt werden die Kapitel von schwarzen Blättern, auf die schwarze Bilder gedruckt sind. Zeichnunge­n, die sichtbar werden, wenn der Blick nicht frontal darauf fällt.

Genau das ist auch das Prinzip der erzähleris­chen Annäherung. Es geht zurück zu den weitgehend verlorenen Liedern der antiken Dichterin Sappho und dann wieder vor in der Geschichte zum abgerissen­en Palast der Republik. Mal spricht die Ich-erzählerin von ihrer eigenen Kindheit, dann wieder montiert sie Material zur virtuosen Collage von Armand Schulthess, der in einem Wald im Tessin seine Bibliothek des Wissens anlegte. Greta Garbo spaziert durch New York, und ein ausgestorb­ener Tiger setzt noch einmal zum Sprung an. Eine Schatzkist­e in Buchform legt Schalansky vor und gibt jedem Leser dazu eine Anleitung mit, wo solche Schätze in Hülle und Fülle zu bergen sind: überall in der Vergangenh­eit.

Suhrkamp, 252 S., 24 ¤

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Judith Schalansky: Verzeichni­s einiger Verluste.

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