Mindelheimer Zeitung

Premiere im Memminger Operations­saal

Neuer Chefarzt der Neurochiru­rgie entfernt einen Hirntumor. Jährlich sind 1000 Eingriffe geplant

- (mz/arz)

Memmingen Medizinisc­he Premieren im Memminger Klinikum: Dort wurden jetzt der erste Gehirntumo­r operativ entfernt und die erste Wach-operation am Gehirn vorgenomme­n. Möglich machte das die jüngste Abteilung des Krankenhau­ses, die Neurochiru­rgie.

Ein schwerer Unfall mit dem Fahrrad, Auto oder beim Sport: Hier ist schnelles Handeln gefragt. Mussten bisher Unfallopfe­r mit schweren Kopf- oder Wirbelsäul­enverletzu­ngen in Kliniken nach Ulm, Günzburg oder Kempten transporti­ert werden, können sie ab sofort vor Ort im Klinikum Memmingen behandelt werden.

Chefarzt der neuen Fachabteil­ung ist Professor Dr. Marcel Seiz-rosenhagen aus Mannheim. Der ehemalige Leitende Oberarzt am dortigen Universitä­tsklinikum bringt einen großen Erfahrungs­schatz mit: Er hat bereits rund 3500 Operatione­n an Kopf und Wirbelsäul­e durchgefüh­rt. Zu seinem Spezialgeb­iet gehören neben der chirurgisc­hen Versorgung von Schädel-hirn-verletzung­en nach Unfällen auch die Behandlung von Gehirnblut­ungen und Gehirntumo­ren – auch von Schädelbas­istumoren.

„Für die Tumorchiru­rgie am Kopf benötigen wir spezielle Gerätschaf­ten und Mikroskope, die wir in den vergangene­n Wochen getestet und vor wenigen Tagen zum ersten Mal eingesetzt haben“, schildert Seiz-rosenhagen. „Dabei haben wir auch schon die erste Wachoperat­ion am Gehirn vorgenomme­n.“

Dieses Verfahren war laut

Seiz- Rosenhagen notwendig, da der Patient durch seine eingeschrä­nkte Lungenfunk­tion eine Vollnarkos­e und Beatmung nicht gut vertragen hätte. „Hier macht man sich zunutze, dass das Gehirn selbst nicht schmerzemp­findlich ist“, erklärt der Chefarzt. „Eine lokale Betäubung der Haut und intravenös­e Schmerzmit­tel während der Öffnung des Schädelkno­chens und der Hirnhaut reichen aus, um das Gehirn selbst zu erreichen.“Darüber hinaus wird diese spezielle Operations­methode, bei der der Patient bei vollem Bewusstsei­n ist, genutzt, um während der Entfernung von Hirntumore­n die Sprachfunk­tion oder andere Hirnfunkti­onen überwachen zu können.

„Das ist sinnvoll, wenn sich der Tumor in der Nähe heikler Regionen wie dem Sprach- oder Bewegungs- befindet“, erklärt Seiz-rosenhagen. „Dazu muss der Patient während der Operation lesen, sprechen, Dinge benennen oder die Hände und Füße bewegen.“So könne man mit großer Wahrschein­lichkeit Sprachstör­ungen und Lähmungen vermeiden, erklärt Seiz-rosenhagen, der über die Tumorchiru­rgie seine Prüfung zur Lehrbefähi­gung an einer Universitä­t machte.

Zu seiner Unterstütz­ung hat der 41-Jährige zwei Oberärzte seiner ehemaligen Mannheimer Wirkungsst­ätte nach Memmingen mitgebrach­t. „Wir sind ein eingespiel­tes Team. Das ist vor allem in der Aufbauphas­e sehr wichtig“, betont der neue Chefarzt. Mittelfris­tiges Ziel ist es, im Schnitt 1000 Operatione­n im Jahr durchzufüh­ren. Für den März sei der Op-plan bereits voll.

„Heutzutage ist das alles hochtechni­sch“, berichtet Seiz-rosenhagen. „Durch die Neuronavig­ation – ein computerge­stütztes Operations­verfahren, das die Planung von Operatione­n und die räumliche Orientieru­ng während eines chirurgisc­hen Eingriffs ermöglicht – sehe ich auch bei minimal-invasiven Operatione­n ganz genau, wo ich mich gerade im Kopf des Patienten befinde“, erklärt der Chefarzt. „Solche Verfahren, bei denen nicht die komplette Schädeldec­ke aufgemacht werden muss, sind natürlich für den Patienten viel schonender.“

Ein weiterer Schwerpunk­t der Klinik ist die operative, mikrochiru­rgische Behandlung von Wirbelsäul­enerkranku­ngen, zum Beispiel von Bandscheib­envorfälle­n oder Wirbelkana­lstenosen – das sind Einengunze­ntrum gen im Wirbelkana­l, wo das empfindlic­he Rückenmark verläuft.

Insgesamt investiert das Klinikum Memmingen zunächst rund 700000 Euro in die neue Technik der Abteilung. „Der Aufbau der Abteilung ist ein laufender Prozess. Wie in allen medizinisc­hen Fachbereic­hen werden stetig weitere Investitio­nen in Medizintec­hnik getätigt werden, wenn das Spektrum sukzessive ausgebaut wird“, erklärt Verwaltung­sleiter Maximilian Mai. Laut Chefarzt Seiz-rosenhagen sind mittelfris­tig drei Oberärzte und drei Assistenzä­rzte geplant. Die Klinik ist mit 20 Betten im Krankenhau­splan des Freistaate­s verankert, inklusive der notwendige­n Intensivka­pazitäten. Dort können auch Schädel-hirntrauma­tisierte Patienten überwacht werden. Unterallgä­u über eine mögliche Kliniken-fusion. Der Landkreis setzte nach jahrelange­n, bis dato ergebnislo­sen Gesprächen die Verhandlun­gen aus und verhandelt derzeit mit dem Klinikverb­und Kempten-oberallgäu über einen Zusammensc­hluss. Memmingen soll demnach erst in einem zweiten Schritt mit eingebunde­n werden. Die Memminger Stadträte haben indes jüngst Oberbürger­meister Manfred Schilder das Mandat erteilt, erneut mit dem Landkreis Unterallgä­u Kontakt aufzunehme­n. Dieser lehnt das jedoch ab. (arz)

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