Veterinäramt: mehr Arbeit, aber weniger Leute
Tierschutz Rein rechnerisch werden Betriebe in Bayern nur alle rund 50 Jahre kontrolliert. Im Unterallgäu können die Amtstierärzte sogar noch seltener in den Ställen nach dem Rechten sehen
Mindelheim Dieser Kampf begleitet Hans-Joachim Weirather schon seit Beginn seiner Landratstätigkeit. Er hat Briefe geschrieben und immer wieder auf Leitungsebene bei der Regierung von Schwaben sowie dem Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz vorgesprochen. Seit 2006 setzt er sich für mehr Personal am Unterallgäuer Veterinäramt ein. Eigentlich sollten sich dort fünf Amtstierärzte um Tierwohl und Verbraucherschutz kümmern. Und schon das sind nach Ansicht Weirathers und des Veterinäramtsleiters Dr. Alexander Minich viel zu wenig.
Doch nun hat sich die Lage weiter zugespitzt: Minich, der seit 19 Jahren im Veterinäramt arbeitet, fällt für längere Zeit aus und für seinen Vorgänger Dr. Armin Mareis gibt es bislang keinen Ersatz. „Mit drei anwesenden Tierärzten ist das Veterinäramt momentan völlig unterbesetzt. Aufgrund der Aufgabenfülle wären mindestens sechs Tierärzte erforderlich“, teilen Landrat HansJoachim Weirather und der derzeitige Leiter des Veterinäramtes, Dr. Hubert Rainer, auf Nachfrage der MZ mit.
Schließlich ist das Zuständigkeitsgebiet groß – das Unterallgäu gilt als rinderreichster Landkreis Bayerns – und das Aufgabenspektrum ist es ebenfalls. Für die personelle Ausstattung der Veterinärämter scheint dies aber nicht ausschlaggebend zu sein. Eine entsprechende Anfrage beim zuständigen Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, nach welchen Parametern die Amtstierärzte zugeteilt werden, bleibt zunächst unbeantwortet. Als die MZ nachhakt, heißt es, Grundlage sei ein Personalverteilungskonzept, „das auf Basis veterinärfachlich relevanter Kenndaten und daran anknüpfenden Aufgaben erstellt und regelmäßig aktualisiert wird“. Was sich der Laie unter „veterinärfachlich relevanten Kenndaten“vorstellen darf, bleibt trotz erneuter Nachfrage offen.
Auch die Frage, ob es in Bayern genügend Veterinärmediziner gibt oder zusätzliche Stellen geschaffen werden müssten, beantwortet das
nicht. Stattdessen verweist es auf die neue Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (KBLV) mit insgesamt 90 Stellen, die im vergangenen Jahr geschaffen wurde. Die KBLV habe die Zuständigkeit für bestimmte komplexe Betriebe wie große Schlacht- und Geflügelbetriebe übernommen. „Dadurch wurden die Kreisverwaltungsbehörden bei Kontrolle und Vollzug entlastet“, so ein Sprecher des Umweltministeriums.
Im Veterinäramt sieht man das allerdings anders. Im Unterallgäu habe die KBLV fünf milch- und zwei fleischverarbeitende Betriebe
übernommen, für die zuvor das Unterallgäuer Veterinäramt zuständig war. Stellt ein amtlicher Tierarzt bei einer der vierteljährlichen Routineoder der wöchentlichen Hygienekontrollen in einem fleischverarbeitenden Betrieb Mängel fest, ist dieser jedoch nach wie vor vom Amtstierarzt des Landratsamtes „abzustellen“, wie es so schön heißt. Und auch wenn die Molkereien, für die jetzt die KBLV zuständig ist, Milchprodukte in Drittländer liefern, muss weiterhin das Veterinäramt die dafür erforderlichen Exportzertifikate ausstellen. Allein für die größte dieser Molkereien seien es im vergangenen Jahr 234 solcher ZertiMinisterium
fikate gewesen. Den Arbeitsaufwand dafür beziffert Rainer auf insgesamt 172 Stunden.
Weitere rund 500 Stunden fielen für 456 Zertifikate für die Exporte aus einem großen Kühlhaus an, für das nur das Veterinäramt zuständig ist. Dieses musste außerdem 89 Futtermittelproben nehmen, das ist die zweithöchste Probenzahl im Regierungsbezirk Schwaben. Und bei den sogenannten Cross-ComplianceControllen, bei denen überprüft wird, ob die Landwirte die Vorschriften einhalten, die Grundlage für Prämienzahlungen sind, ist das Unterallgäu sogar Spitzenreiter in ganz Bayern: In 127 Betrieben mussten jeweils beide Ohrmarken von mehr als 22200 Rindern, 486 Schafen und 456 Schweinen abgelesen werden. „Sinnvoller und effektiver wäre es gewesen, die genannten 90 Stellen bei der KBLV je nach Bedarf auf die Veterinärämter zu verteilen“, lautet deshalb Rainers Fazit und Weirather ergänzt: „Wir können jederzeit den Beweis führen, dass die Arbeitsbelastung unseres Veterinäramtes im Bayernvergleich mit die höchste ist. Schade, dass dies seit vielen Jahren am Ministerium zwar bekannt ist, aber nicht gewürdigt wird.“
Einen Lichtblick gibt es immerhin: Die Regierung von Schwaben, die für die Personalverwaltung der Veterinärämter zuständig ist, hat angekündigt, in absehbarer Zeit eine neue Tierärztin einzustellen und Tierärzte aus anderen Landkreisen ins Unterallgäu abzuordnen, um dort auszuhelfen. „Die aktuellen Bemühungen sind sehr anerkennenswert, lösen das strukturelle Problem aber nicht“, heißt es dazu aus dem Landratsamt.
Wie oft die Betriebe in Bayern durchschnittlich kontrolliert werden, vermag das Ministerium übrigens ebenfalls nicht zu sagen. „Kontrollen durch die Behörden vor Ort werden nicht zentral erfasst“, lautet die lapidare Antwort. Aus der Antwort des Bundesagrarministeriums auf eine entsprechende Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion im vergangenen Juli geht jedoch hervor, dass das Kontrollintervall in Bayern rein rechnerisch bei 48,1 Jahren liegt. Und auch im Unterallgäu können die Amtstierärzte längst nicht so häufig in den Betrieben nach dem Rechten sehen, wie sie das gerne tun würden: Ebenfalls rein rechnerisch müssen die Betriebe hier nur alle 100 Jahre mit einer Kontrolle rechnen. In der Praxis wird rund die Hälfte jährlich kontrolliert, etwa weil der Viehbestand sehr groß ist, Cross-Compliance-Kontrollen anstehen oder weil es dort bereits einmal Mängel gab. In der anderen Hälfte ist laut Rainer dagegen nie ein Kontrolleur vor Ort. „Wir kontrollieren vor allem anlassbezogen. Für alles andere fehlt die Zeit.“Diesen Zeitmangel bekommen übrigens auch Verbraucher zu spüren: Brauchen sie eine Genehmigung, weil sie etwa gewerbsmäßig Hunde, Katzen oder andere Wirbeltiere züchten, eine Hundeschule eröffnen oder Viehhandel betreiben wollen, kann das mitunter dauern.
Das Ministerium bleibt eine Antwort schuldig