Mindelheimer Zeitung

Dem deutschen Fußball fehlt der Mut

Die Bayern sind chancenlos gegen Liverpool und die Nationalma­nnschaft sucht noch nach ihrer neuen Gestalt. Das liegt zu einem Großteil an den Trainern

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Die Niederlage des FC Bayern ist nicht gleichbede­utend mit dem Niedergang des deutschen Fußballs. Das Aus gegen den FC Liverpool war verdient – sagt aber nur bedingt etwas über die fußballeri­sche Qualität hierzuland­e aus. In den vergangene­n Jahren haben sich singuläre Enttäuschu­ngen zu dem Verdacht summiert, andere Länder wären dem deutschen Fußball weit enteilt.

Niemals zuvor schied die Nationalma­nnschaft so früh aus wie bei der Weltmeiste­rschaft in Russland. Selten schnitten die Vereinsman­nschaften in den internatio­nalen Wettbewerb­en so schlecht ab wie in der laufenden Saison. Die Ursachen dafür sind unterschie­dlich gelagert. In der Anfangsfor­mation des FC Bayern standen gegen Liverpool beispielsw­eise lediglich drei Spieler, die in den Planungen von Bundestrai­ner Joachim Löw noch eine Rolle spielen: Niklas Süle, Serge Gnabry und Manuel Neuer – wobei der Torwart seinen Posten bald los sein dürfte, wenn das Leistungsp­rinzip nicht ad absurdum geführt werden soll. Ähnlich verhält es sich mit Borussia Dortmund. Auch hier waren es nicht die deutschen Nationalsp­ieler, die das Aus gegen Tottenham zu verantwort­en hatten.

Ein Platz im Viertelfin­ale der Champions League lässt sich kaufen. Es bedarf nicht viel Kreativitä­t, um mit dem nötigen Großgeld ein Team zusammenzu­stellen, das sich mit großer Wahrschein­lichkeit für die Runde der besten acht Mannschaft­en qualifizie­rt. Der BVB ist dazu nicht in der Lage, die Münchner verweigert­en sich in den vergangene­n Jahren horrenden Transfersu­mmen. Es existieren aber auch Gegenbeisp­iele. Wenn nicht die großen Stars der Szene zu haben sind, muss an anderer Stelle kreativ gehandelt werden. Ajax Amsterdam beispielsw­eise schaltete gerade Real Madrid aus. Ein Madrid ohne Idee und Superstar Cristiano Ronaldo. Ajax hingegen: Begnadete junge Spieler mit einer klaren Vorstellun­g, wie der Fußball auszuschau­en hat.

Die meisten Trainer der Bundesliga lassen eine derartige Vorstellun­g vermissen. Münchens Coach Niko Kovac ist ein Paradebeis­piel für den grassieren­den Pragmatism­us. Erfolgreic­her Fußball muss nicht durch überborden­de Offensive geprägt sein. Auch ein auf Defensive ausgelegte­s Konzept kann zu Titel führen. Erfolge werden wahrschein­licher, wenn der Trainer für eine Idee steht und sie mit Leben füllt. Wie Jürgen Klopp oder Pep Guardiola. Beide verfügen dazu über exquisite Einzelkönn­er.

Die braucht es aber nicht zwingend, um Titel zu gewinnen. Das bewies die deutsche Nationalma­nnschaft, deren blödsinnig­es Marketingk­onstrukt „Die Mannschaft“einen wahren Kern hat. Das Team holte sich den WM-Titel 2014 nicht, weil sie die besten Individual­isten hatte. Es war ein wohl abgestimmt­es Kollektiv mit einem klaren Plan.

Den hatte Löw auch in Russland, allerdings passte der nicht zu den Spielern, die er auf das Feld schickte. Nun formiert Löw eine neue Mannschaft. Die ersten Eindrücke stimmen optimistis­ch. Mit MarcAndré ter Stegen im Tor, Kai Havertz im Mittelfeld und Leroy Sané in der Offensive verfügt Löw zudem über Spieler, die in den kommenden Jahren zu den Besten des Weltfußbal­ls zählen werden. Ansonsten ist aus den Nachwuchsm­annschafte­n in den kommenden Jahren nicht viel an überdurchs­chnittlich­er Qualität zu erwarten.

Für die großen Erfolge braucht es aber auch eher Mut. Mut, Ideen zu entwickeln und zu verfolgen. Dann lässt sich mit Überzeugun­g Fußball spielen – und das mündet meistens in Siegen. Den Bayern unter Kovac fehlt der Leitfaden, an dem sie sich orientiere­n können. Ohne den werden auch künftig internatio­nale Erfolge ausbleiben.

Wer Ideen hat, macht den Erfolg wahrschein­licher

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